fragen nach gott

meereswogen branden

an meinen  herzdunkelgrund

ist`s deine stimme, die im rauschen

bist du der urton, dem ich  lausche

bist du die welle, die mich hebt

bist du das meer, in das ich  münde

bist du das wort, von dem ich künde

bist du der anfang und das  ende

bist du das licht im licht

bist du der glanz in meinem auge

bist du die träne, die mich  löst

bist du die wehmut in meinem  sehnen

bist du die hoffnung, wenn ich  hoffe

bist du der herzschlag und der nabel

bist du es, der mich  liebt

wächst du, wenn  ich wachse

bist du der duft im duft

verschwebst du, wenn ich rede

oder ist mein fragen brücke dir

bist du der zarten dinge schöpfer

bist du der windhauch, der mich rührt

bist du die kraft in meiner stärke

die melodie in meinem lied

bist du die offenheit der frage

bist du es, der mich  liebt

(Gustav Schädlich-Buter)

fragen und zweifel, Acryl auf Leinwand

Kreativität gedeiht nicht mit Sicherheit, sondern mit Fragen. Das Wachstum keimt nicht in Zeltwohnungen, sondern im Umbruch. Doch die Verführung ist immer eher Sicherheit als Wagnis, sofortiges Wissen statt absichtliches Warten. 

Sue Monk Kidd, When the Heart Waits: Spiritual Direction for Life’s Sacred Questions (HarperSanFrancisco: 1990), 25.

Advent- Licht in winterlicher Zeit

Licht in winterlicher Zeit

Lied im Advent

Immer ein Lichtlein mehr
im Kranz, den wir gewunden,
dass er leuchte uns so sehr
durch die dunklen Stunden.

Zwei und drei und dann vier!
Rund um den Kranz welch ein Schimmer,
und so leuchten auch wir,
und so leuchtet das Zimmer.

Und so leuchtet die Welt
langsam der Weihnacht entgegen.
Und der in Händen sie hält,
weiß um den Segen!

Das Gedicht „Lied im Advent“ stammt von Matthias Claudius, der von 1740 -1815 gelebt hat. Der Dichter ist vielen von uns bekannt durch den Text des Liedes „Der Mond ist aufgegangen“(Abendlied). Das Gedicht „Lied im Advent“ nimmt Bezug auf den Adventskranz, und die vier Kerzen, die nach und nach angezündet werden. Durch das Licht der Kerzen werden nicht nur Räume erhellt, sondern wir selbst. Von diesem sich nach außen und innen ausbreitenden Licht, das schließlich die ganze Welt erleuchtet, geht ein Segen aus, der uns zum Sinn von Weihnachten führt.

Dieses Licht – so die erste Strophe des Gedichtes- will uns in und auch durch die dunklen Stunden leuchten. Wer denkt bei dunklen Stunden nicht gleich an all das Bedrückende, das von Corona ausgeht: Krankheit, Tod, Kontaktsperre, wirtschaftlicher und finanzieller Ruin. Aber auch die anderen Dunkelheiten bleiben: Migration, Flucht, Einsamkeit alter Menschen, die Klimakrise, die Ungerechtigkeit, die kleinen und großen Sorgen von uns allen, der Rucksack, den jede und jeder zu tragen hat, wenn gleich in unterschiedlicher Weise. „Es gibt kein Dach ohne Ach“,  sagt ein altes Sprichwort.

Es macht etwas mit uns, wenn wir eine Kerze anzünden: Manche zünden eine Kerze an, um still zu werden, oder wir entzünden eine Kerze für einen Menschen, an den wir besonders denken, weil er einsam ist, oder krank oder in einer Krise steckt, manche zünden eine Kerze an für ihre verstorbenen Angehörigen, wieder andere,  um zu beten und das Licht wird  zum Zeichen für Gott. Der Kerzenschein beruhigt, wärmt, und vorallem erhellt er die Dunkelheit. Das Licht einer Kerze wird umso stärker wahrgenommen, je dunkler es ist;

Das Licht auf dem Adventskranz ist kein Licht- so deutet es auch das Gedicht an-, dass uns in eine selige, aber weltfremde Sonderstimmung führen will, die mit unserem konkreten Alltag nichts zu tun hat. Für mich ist es ein Hoffnungslicht, das besonders in die Dunkelheiten unseres Lebens hineinleuchtet; ein Hoffnungslicht, das die Nacht unserer Seele und die Nacht der Welt nicht auszulöschen vermag. Wo Licht und Dunkelheit sich begegnen, kommt immer Licht in die Dunkelheit, niemals Dunkelheit ins Licht.“ (Elmar Gruber)

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Ein Licht, das allen Kitsch, alle Oberflächlichkeit,  auch die Vergänglichkeit der Zeit, der wir an Weihnachten begegnen, überdauert; ein Licht, das in die Zerbrechlichkeit des Lebens heilend hineinströmt, wenn wir unsere Herzenstüren dafür öffnen. „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit..“, heißt es in einem bekannten Adventslied. Nach dem Licht Gottes sehnen wir uns umso mehr, je dunkler, betrübter oder gefährdeter die eigene Seele ist. Schon immer waren die dunklen Zeiten die Bewährungsproben für den Glauben und die Hoffnung auf eine rettende Macht.

Für Christen ist dieses Licht in besonderer Weise angezündet mit der Geburt Jesu Christi, ein Licht, das kein Kreuz und keine Macht der Welt auslöschen kann: ewiges Licht, Hoffnungslicht, Liebeslicht, das uns wärmen will in kalten und winterlichen Tagen. Geschenktes Licht, das auch mit dem Auftrag verbunden ist, andere zu wärmen und in die Dunkelheit zu leuchten.

Impuls:

Entzünden Sie eine Kerze (z.B.) des Adventskranzes. Genießen Sie die Stille und das stille, warme Licht. Stellen Sie sich vor, dass es die Liebe von Gott ist, die ihr Herz wärmen will.

Lesen Sie das Gedicht von Matthias Claudius und lassen es auf sich wirken. Was löst es aus?

Vielleicht fällt Ihnen ein jemand ein , dem Sie eine Freude bereiten wollen (mit einem Anruf, einem kleinen Geschenk, einer Karte..)

Einige biblische Stellen zum Licht:  Jesaja 60, 1-2, 2.Kor 4,4ff, Jesaja 58,7-10

Wunder des Lebens

„Nicht müde werden/ sondern dem Wunder / leise/ wie einem Vogel / die Hand hinhalten“//Hilde Domin, in: Sämtliche Gedichte. Mit einem Nachwort von Ruth Klüger. Hrsg. von Nikola Herweg. Frankfurt a.M. 2009.)

Diese Verse stammen von der jüdischen Lyrikerin Hilde Domin (frühere Hilde Palm; 1909 in Köln geboren ; 2006 in Heidelberg gestorben), die als junge Frau vor den nationalsozialistischen Umtrieben ins Exil floh. Ihre Gedichte spiegeln nicht nur das Schicksal ihres Volkes wieder- Vertreibung, Flucht, Heimatlosigkeit und Heimatsuche-, sondern enthalten wie das oben zitierte Gedicht auch eine Empfehlung trotz allem, sich für das Wunder des Lebens vertrauensvoll bereit zu halten.

Wunder erleben wir nicht in der Haltung der Gleichgültigkeit und Selbstverständlichkeit. Wer ein Wunder erleben will, muss das Selbstverständliche seines Sehens, Denkens und seiner Lebensmuster verlassen. Dem Wunder die Hand hinhalten bedeutet, offen zu sein für Überraschungen und das Staunen wieder zu lernen.

Nichts ist im Grunde selbstverständlich: weder der Augenblick, in dem sich Mensch und Mensch begegnet, noch das Aufblühen einer Blume oder eines Menschen; weder meine Kraft, mich selbstlos für andere einzusetzen noch dass mir selbst geholfen wird. Selbstverständlich ist es auch nicht, dass ich jemand lieben oder verzeihen kann; der Mut zum Leben nach Verzweiflung oder Krankheit ist ebenso wenig selbstverständlich wie ein Gottvertrauen, bei dem ich mich vertrauensvoll in die Hände einer anderen Macht begebe. Wunder sind erlebbar, wenn wir mit offenen Augen und offener Seele die Wirklichkeit wahrnehmen.

Doch oft rennen wir am Wunder vorbei, haben den Sinn für das Überraschende und das Alltagswunder verloren. Wer durch die Straßen einer Großstadt läuft, gewinnt manchmal den Eindruck, dass die Menschen wie gehetzt und getrieben, fast bewusstlos einem blinden Vorwärtsdrang folgen. Wie Gejagte vom Zwang des Mithalten-wollens und –müssens, gehetzt von Terminen und Aufträgen, können sie nicht mehr anhalten…..immer weiter, immer mehr…

Aber wer im Leben bloß vorwärts stürmt, der wird sich eines Tages traurig, leer und verbittert wiederfinden. Die Schätze und Wunder des eigenen Lebens, – das in der Tiefe Erlebte, Erlittene und Durchgestandene- werden zu oft übersehen. Dem Wunder die Hand hinzuhalten aber bedeutet, sich erinnernd in die Tiefe zu wagen. Am Grund unserer Seele, steht die Schatzkiste des eigenen Lebens bereit und will geöffnet werden.

Wir brauchen immer wieder Abstand und Zeit, um unser Leben zu verstehen, das Erlebte zu verdauen und das Kostbare sich anzueignen. Dem Wunder die Hand hinzuhalten kann heißen, leise und nachdenklich zu werden, einmal innezuhalten (womöglich gerade im Moment, wo der Arbeitsdruck am stärksten erlebt wird), für einen Augenblick aus dem Fenster zu schauen und „wahr“ zu nehmen: die weißen Wolken am blauen Herbsthimmel in ihrer Schönheit , die bunten Bäume und fallenden Blätter; oder draußen: die klare Luft einatmen und die letzten noch warmen Sonnenstrahlen auf seiner Haut spüren….. Wer nachdenklich wird und innehält, spürt womöglich so etwas wie Dankbarkeit. Dankbarkeit für etwas Geschenktes, das ich nicht erleisten muss und brauche, weil es einfach da ist. Ich muss dem Wunder nur leise die Hand hinhalten, dass es in der Seele zu singen beginnt als hätte dort ein Vogel sein Nest.

Spielen lernen

Laßt uns spielen/ehe der Lebenstraum einschläft//Laßt uns/ einen Schneemann kneten/ der uns verlacht// die hochnasigen Erwachsenen/ an der Nase führen// zum Mondmann fliegen/mit ihm unser Spiel treiben// Laßt uns ein Weilchen den Glauben umarmen/ alles sei /wie es sein soll// im Atemspiel mit dem Tod (Rose Ausländer,  Im Atemhaus wohnen, Gedichte, Frankfurt am Main 1981, S.108)

Das Gedicht von Rose Ausländer (geb.1901) berührt das Kind in uns, das noch zweckfrei spielen konnte, sich selbstvergessen seinen Phantasien überlassen oder tief versunken war in ein scheinbar völlig nutzloses Tun. Für die meisten von uns Erwachsenen ist nicht mehr viel übriggeblieben von diesem spielerischen Kind; Erwachsene müssen nützlich, effizient, ernst und seriös sein. Erwachsene definieren sich vielfach über das, was sie leisten, was sie können und was sie haben. Sind wir nicht alle dabei sehr unfrei geworden und versklavt an die Welt der Zwecke, eingesperrt in Sachzwänge, verbogen durch Anpassung? Als  Erwachsene dienen wir den Götzen Status, Reichtum, Position und Vermögen und sehen andere Menschen oft nur noch aus der Perspektive: „Was bringt der mir?“ Fast alles wird heute verzweckt.

Wir Erwachsene sind aus dem Paradies vertrieben, in welchem es noch eine zweckfreie und selbstverständliche Daseinsberechtigung gab; heute müssen wir unser Leben erleisten, unser Glück erkämpfen, unser Daseinsrecht mühsam vor uns selbst rechtfertigen und uns gegen andere behaupten. Und all dies in der kurzen Zeitspanne, die uns gegeben ist. Aber „was bleibt dem Menschen von all seiner Mühe und von der Strebung seines Herzens, womit er sich abmüht unter der Sonne…“. Ist nicht das Ganze unseres Lebens „Windhauch“, vergänglicher Dunst also, frägt pessimistisch der Prediger Kohelet (Koh1, 2-4,; 2, 22-23).

Wozu also ist der Mensch da? Wozu bin ich da? Auch wer lange nachdenkt, wird letztlich keinen notwendigen Zweck finden. Die Welt, der ganze Kosmos würde auch ohne mich auskommen und funktionieren, erinnert Bernardin Schellenberger.  Ich bin nicht um eines Zweckes willen auf dieser Erde. Der Sinn und Grund meines Lebens liegt nicht in meinem Nutzen für etwas, sondern ist wohl eher in den Kategorien des Nutzlosen und Zweckfreien zu suchen. Ich bin um meiner selbst willen da, einfach, weil es gut ist, dass es mich gibt. Ich bin um meiner selbst willen etwas wert und gut; nicht deshalb, weil ich einen Zweck erfülle, brauchbar, nützlich und verwendbar bin.

Die alten Glaubenstexte sprechen noch davon: Gott hatte Wohlgefallen an seiner Schöpfung, der Grund der Welt und meines Dasein liegt in seinem Be-„lieben“ und „Entzücken“. ER will, dass ich bin und er hat Entzücken an mir ohne eine Gegenleistung zu verlangen.

Menschen, die nichts mehr leisten können, weil sie unheilbar krank, schwer behindert oder alt sind und spielende „Menschen-Kinder“ können dafür die besten Zeugen sein. Im Buch der Sprüche sagt die Weisheit über den Schöpfer: „Als er die Fundamente der Erde abmaß, da war ich (die Weisheit, d.V.) als geliebtes Kind bei ihm. Ich war seine Freude Tag für Tag und spielte vor ihm allezeit. Ich spielte auf seinem Erdenrund und meine Freude war es bei den Menschen zu sein. “ (Spr 8, 30) Dieser Weisheitstext beschreibt die Entstehung der Welt aus dem Geist des Spieles, ein Spiel, das in sich schön und gut ist. Der spielende Mensch – z.B. der Dichter, der mit Worten oder die Malerin, die mit Farben spielt- ist Mitspieler Gottes.

Kater Mikesch- Acryl auf Leinwand

Dieses zweckfreie Spiel ist kein leichtfertiges Spiel, das Tod, Trauer und das Böse einfachhin „überspielt“. Dieses Spiel ist auch keine nostalgische Flucht aus der Realität in ein verlorenes Paradies, sondern ein vom Glauben getragenes „Atemspiel mit dem Tod“ wie die Dichterin sagt, das nur dann Sinn aufschließt, wenn es den Spielregeln der Liebe folgt, den Machtspielen der Welt widersagt und Einsatz riskiert für die zweckfreie Würde des Menschen.

Solch Spielende schenken eine Ahnung von einer Welt, die nicht dem Dogma der Nützlichkeit unterworfen ist. Der spielende Mensch befreit auch andere durch seine Spielfreude und verkündigt den zweckfreien Sinn des Menschenseins und einer erlösten Schöpfung. Wer frei spielt, „verlacht“ die Welt der Macher, Angeber und Ausbeuter; er entzieht sich dem Druck ständiger Optimierung seiner selbst.

Literatur: Bernardin Schellenberger, Einübung ins Spielen, Münsterschwarzach 1980

Hoffnung macht jung

„Wer hofft/ ist jung //Wer könnte atmen/ohne Hoffnung/ dass auch in Zukunft/ Rosen sich öffnen// ein Liebeswort die Angst überlebt“

(Rose Ausländer, Hoffnung II, in: Rose Ausländer, Im Atemhaus wohnen, Gedichte, Frankfurt am Main 1981, S.43)

Nur die Hoffnung lässt Rose Ausländer (1901-1988) leben und überleben, gibt ihr die Kraft am Leben nicht zu verzweifeln. Hoffnung gehört zu den Lebensgrundlagen des Menschseins wie die Atemluft. „Wer könnte atmen/ohne Hoffnung“, sagt die Dichterin. Schon ein lateinisches Sprichwort sagt: „Dum spiro, spero“- solange ich lebe, hoffe ich. Hoffnung ist eine Kraft in uns, die sich stärker erweisen kann als Angst, Verzweiflung, Trauer, Müdigkeit und Resignation.

Hoffnungsspalten in der Bedrängnis, Acryl auf Leinwand

Fast jeder von uns kommt im Laufe des Lebens in Situationen, in denen er müde und resigniert aufgeben will, nicht mehr weiter will oder kann. Manchmal ergibt sich am Tiefpunkt der Krise ein wundersamer Umschlag: eine Kraft taucht auf, die den Mut zum Weitermachen schenkt, die mit neuer Gewissheit und Zuversicht anfüllt. Das ist die Kraft der Hoffnung, die wie ein Stern am bewölkten Himmel plötzlich auftaucht oder wie ein Sonnenstrahl, der sich durch die dunklen Wolken gekämpft hat .

„Wer hofft, ist jung.“ Wer hofft, ist auf eine Zukunft ausgerichtet. Hoffnung ist eine gespannte Erwartung auf die Zukunft. Kinder und junge Menschen stecken meist noch voller Hoffnungen und Erwartungen ans Leben; sie erwarten gespannt auf das, was kommt. Wer keine Hoffnung mehr hat, ist am Ende, fühlt sich alt, verbraucht und leer. Hoffende Menschen dagegen bleiben, auch wenn sie alt werden, jung, weil sie das Lebenselexier Hoffnung in sich tragen. Die Kraft zu hoffen, muss und kann geübt werden sagt der  Philosoph Ernst Bloch; sie verlangt Disziplin auf eine Zukunft zu setzen, auch wenn vieles dagegen spricht und arbeitet. Wer sich für eine gerechtere und friedlichere Welt einsetzen will, braucht einen langen Atem der Hoffnung. Wer Kinder großziehen will, braucht die Kraft der Hoffnung, dass ihr Leben gelingt, auch wenn sie ganz andere Wege gehen. Wer sich für mehr Rechte für behinderte Menschen einsetzt, braucht ebenfalls die Kraft der Hoffnung, dass sich in unserer Gesellschaft trotz aller Widerstände etwas zum Besseren verwandeln lässt. „Ich habe einen Traum“, sagte Martin Luther King stellvertretend für viele Hoffende, ein Traum, in dem es um die Überwindung von Vorurteilen ging, ein Traum, der heute realisiert ist.

In der Hoffnung geht es aber nicht nur um die großen Menschheitsträume. Manche Menschen hoffen nur darauf, einen Tag ohne Schmerzen zu überstehen oder einmal durchschlafen zu können. Schon alltägliche, unscheinbare Dinge, die leicht übersehen werden können, entfachen Hoffnung: „dass …die Rosen sich öffnen“ oder der Gesang der Vögel am frühen Morgen, ein freundlicher Gruß, den der Nachbar oder die Kollegin sagt oder ein liebes Wort von einem Freund. So können wir alle an der Hoffnung dieser Welt mitarbeiten. Wir brauchen einander im Hoffen, denn die Erfahrung zeigt, dass meine Hoffnung allein nicht ausreicht, das Leben gut zu bestehen oder einen Traum zu realisieren. Allein im Licht der Hoffnung, der immer auch eine Geschenk ist, können wir in dieser Welt, im Leiden und Scheitern, im allzu Zerbrechlichen des Menschseins und der Schöpfung, im trübseligen Strom menschlicher Schwächen und Bosheiten, immer noch Gottes Gegenwart finden und an seinen erneuernden Geist glauben. Doch stehen wir immer wieder vor der Wahl, ob wir die Welt aus rein weltlicher Sicht betrachten und bewerten wollen oder eben mit den Augen der Hoffnung, um auch noch im Unscheinbaren und „trotz-alledem“ Gottes Gegenwart zu erkennen.

Der Riss

Lobgesang

Die Vögel sangen/Bei Tagesanbruch/Fang noch mal von vorne an/Hörte ich sie singen/Häng‘ nicht an dem/Was vorbei ist/Oder was die Zukunft bringen mag/Es wird wieder/Kriege geben/Die Heilige Taube/Wird wieder eingefangen/Gekauft und verkauft/Und wieder gekauft/Niemals ist sie frei//

(Refrain):
Läute die Glocken, die noch klingen
Vergiss deine vollkommene Opfergabe.

In allem ist ein Sprung.
Doch so kommt das Licht herein ……..

Leonhard Cohen,  Ausschnitt aus Anthem, von  der CD Future 1992

Der kanadische Poet und Sänger Leonhard Cohen (geboren 1934), hat dieses Lied mit dem Titel „ Anthem“, deutsch: „Lobgesang“ geschrieben und wie er selbst sagt, 10 Jahre daran gearbeitet. „Ich weiß, dass er für etwas Klares und Starkes in meinem Herzen steht“, sagt Cohen in einem Interview 1992 (in: The Future Press Kitt).

Der Refrain des Liedes bringt die zentrale Aussage des Liedes auf den Punkt : „…There is a crack, a crack in everything/ That`s how the light gets in, That`s how the light gets in //…

Ein Sprung, ein Riss ist in allen Dingen, aber genau so kommt das Licht hinein.

Nach der Vertreibung aus dem Paradies, so Cohen, diesem zentralen Mythos unserer Kultur, könnten wir nichts mehr vollkommen hinbekommen, weder Ehe noch Job.., auch nicht unsere Liebe zu Gott oder zu unseren Familien oder zu unserem Land. „´Es gibt einen Riss in allem`, was man zusammenfügt, in Dingen physikalischer oder mentaler Art, in allem, was man konstruiert, doch das ist die Stelle, in der Licht eindringt, wo etwas wiederaufersteht.“ (vgl. Interviews , Unlimited for sony music)

Der Riss – Scheitern und Niederlagen gehören zum Leben

Der Riss oder Sprung ist die zentrale Metapher ins Cohen`s Lied Anthem und er steht zunächst einmal für die Vergeblichkeit unserer Bemühungen etwas vollkommen hinzubekommen. „Vergiss das vollkommen Opfer!“, heißt es im Liedtext knapp. Der „Riss“ steht auch für das, was jeder Mensch in seinem privaten oder öffentlichen Leben erleben und erleiden kann: eine persönliche Niederlage, ein Scheitern in Ehe oder Beruf, ein schwere Krankheit, ein Unfall, politisches Versagen oder Entlassung…..der, der sich wichtig gefühlt hat, steht plötzlich am „Rande“. Und der Riss stellt auch die existentielle Grunderfahrung einer Welt dar, die nicht unschuldig und heil ist.

(Titel „Der Riss“, Acryl auf Leinwand, 70x70cm,  von Gustav Schädlich-Buter)

Der Riss- durch die Bruchstelle fällt Licht

Doch der Dichter sieht im Riss auch etwas Gutes. An der Bruchstelle nämlich kann Licht einströmen. Das Licht der Wahrheit, das uns klar sehen läßt.

Der Riss- ein Bewusstsein von Vergänglichkeit und Angewiesensein

Ich möchte die Gedanken des Dichters noch etwas weiter führen:Wir sind im großen Strom der Geschichte „Vorübergehende“; was wir tun, wird unvollständig bleiben trotz allen Mühens. Der Riss schafft ein Bewusstsein für die eigenen Endlichkeit und Vergänglichkeit. Wer sich als sterbliches Wesen begreift, kann auf Ganzheitsansprüche verzichten und auch im Halbguten etwas wertvolles sehen: in der halbguten Ehe oder im halbguten Job, im halbguten Vater…… (vgl. Fulbert Steffensky, Mut zur Endlichkeit 2007). Solches Bewusstsein kann vom Zwang und Druck befreien, sich als „Herren“ über das Leben aufspielen zu müssen. Der „Riss“ stürzt uns vom Thron eingebildeter Selbstmächtigkeit und zeigt uns wie angewiesen wir aufeinander sind. Der Riss macht deutlich, dass all das, was unser Leben wesentlich ausmacht, nicht in unserer Verfügungsgewalt steht: Vergebung trotz Schuld, Liebe trotz Versagen, Heilung trotz Gebrochenheit, Frieden trotz Zerrissenheit, Wiederaufstehen trotz Fall, Ganzwerdung, all das können wir nicht selbst machen ….

Der Riss- eine anarchische Kraft

Zudem hat der Riss etwas Anarchisches, weil er den Menschen befreit, Rädchen im Getriebe einer funktionierenden Leistungsgesellschaft zu sein. Der Riss kann uns fähig machen, uns selbst nicht mehr durch Leistung und Ertrag beweisen zu müssen. Er zeigt, – und gerade schwerkranke, schwerbehinderte oder sterbende Menschen können darin wunderbare Lehrmeister sein-, dass Menschsein mehr und anderes bedeutet als leistungsfähig und verwendbar zu sein. Kein Mensch ist letztlich um seines Nutzens willen hier auf dieser Erde. Das macht seine Würde aus.

Der Riss- weckt die Sehnsucht

Zudem kann der „Riss“,- diese oft schmerzhafte Erfahrung des Scheiterns oder der Unmöglichkeit eine Leidsituation zu verändern-, die Sehnsucht in uns wecken. Die Sehnsucht nach einem „Land“, in dem- wie es in der Offenbarung des Johannes (Bibel Offb.21,4) heißt-, alle Tränen von den Augen abgewischt werden und es weder Tod noch Leid noch Schmerz geben wird. Diese alten visionären Texte bewahren das Hoffnungspotential von uns Menschen, das in der Krise Leben retten kann. Sie sagen, dass die Risse und Bruchstellen in unserem Leben und in der Welt nicht das letzte Wort haben werden. Ein „neuer Himmel“ und eine „neue Erde“ werden uns einmal offenstehen.

Der Riss- trotzdem geliebt

Der Riss kann uns auch zeigen, dass wir gerade im Scheitern oder der Verwundung unseres Lebens geliebt sind, weil ein Ja über unserem Leben steht, das ohne die Bedingung auskommt: es muss alles ganz bleiben oder vollkommen sein! Durch den Riss dringt das Licht der Wahrheit in unsere Seele: Das Leben ist gut und gratis! Es braucht nicht perfekt zu sein.

Auch Deines nicht!

Einladung zum Mahl-für „alle“

DU

denk wieder groß von uns, die wir uns kleingemacht haben, mit nichtigen Wünschen und Begierden.

Hilf uns, die deine große Liebe verloren haben, lass uns wieder miteinander sein, schenk uns Träume und Visionen, die Deiner Schönheit gerecht werden.

Komm setzen wir uns an den Tisch, essen wir das Brot und den Fisch, trinken wir  den Wein, DU sprichst den Segen und wir sagen Amen und werden eins sein in dieser zerrissenen Welt.

Lassen wir die Türen zum Gastmahl offen, dass noch mehr hinzukommen, von denen, die die Grenzen des Todes überschreiten, die das Gefängnis verlassen, die Stunden nicht mehr zählen, die die Zeche bezahlt haben, für das unglückselige Los, das ihnen zugefallen ist:

für die Nächte in schäbigen Absteigen, für den Hunger in schmutzigen Blechhütten, für Flucht, Verfolgung und Heimatlosigkeit, für die namenlosen Schmerzen in Krankenzimmern, für die lebenslangen Fahrten im Rollstuhl, für die beschämenden Blicken von oben, die wie Pfeile abgeschossen wurden und hinterhältig trafen…

Herein, herein, ihr Armen und Unglückseligen, ihr Zukurzgekommenen und Schmerzbeladenen, ihr Heimatlosen und Bedrückten, ihr Dirnen und auch ihr Zuhälter, ihr Ausgebrannten und  unter Lebenslasten Begrabenen…..herein, herein, zum Mahl, das Leben wandelt, zum Brot, das satt macht, zum Wein, der Freude schenkt.

Jetzt und hier kann alles neu werden: die brennenden Begierden werden erlöschen, das erfrorene Herz wird auftauen, die großen Worte werden leise, die Denkmäler stürzen ein, und Menschen werden Menschen bei Brot und bei Wein.

(Text: Gustav Schädlich-Buter)

Traum vom Frieden

Der Geschichtenerzähler sagt:

Ich erzähle Euch den  Traum vom Frieden , der herabfiel vom Himmel,  tief  in die menschliche Seele hinein. Es ist der  Traum  als alles grundgelegt wurde  in Dir, in mir….

Ein Traum zur Zeit als die Menschen wie die die Vögel den Morgen noch grundlos besangen aus reiner Freude. Als der Tau noch auf den Gräsern lag, unberührt wie die ganze Erde und noch keine Mittagsglut die Sinne betäubte und das Herz noch keinen Hass gebar.

Als die Wörter noch sagten, was sie meinten und die Wahrheit eines jeden in die Seele des anderen hineinleuchtete, als noch niemand an einer Hungersnot des Leibes oder der Seele sterben musste, weil jeder und jede etwas geben und etwas empfangen konnte.

Als die Botschaften vom Himmel noch vernommen wurden, die Hoffnungen  groß waren und die Visionen weit machten.

(Himmlische Stadt, Acryl auf Leinwand, 60×60 von Gustav Schädlich-Buter)

Als  Ausschwitz, Hiroshima oder Vietnam noch keine Geschichte schrieben und Palmblätter den Hütten noch Schatten spendeten.

Als  jede und jeder eine Heimat hatte und wußte, wo er hingehört und dass er dazugehört, als der Fremde noch aufgenommen wurde als Freund, wenn er in Not war und ein gutes Wort seinen Hunger nach Liebe stillte.

Als die Dunkelheit nur stille, heilige Nacht war und nicht Gier, Neid, Mord und trostloses Sterben; als jeder noch ruhig schlafen konnte und keine Sirenen den Ruhenden aufschreckten.

Als noch niemand an DIR zweifelte, und ein jeder glaubte, dass sein Leben vom Anfang bis in Ewigkeit  in Deiner Hand lag….

Der Traum vom Frieden-willst Du ihn weiter träumen und wirklich werden lassen?

(Text Gustav Schädlich-Buter)

„Frieden suchen“

Hass und Gewalt durchzieht die Weltgeschichte

Die Sehnsucht nach Frieden, nach echtem Frieden, wurzelt tief, gerade bei jenen, die noch die zwei grauenhaften  Weltkriege miterlebt haben mit all dem Blutrausch, dem  sinnlose Morden und Dahinschlachten für das je eigene „Vaterland. „….. »Friede« tönt es /Wie aus Märchen, aus Kinderträumen her. /»Friede«. Und kaum zu freuen/Wagt sich das Herz, ihm sind näher die Tränen.“//dichtete einst Hermann Hesse (1877-1962)Der Wahnsinn von Gewalt und Gegengewalt, von Krieg und sinnloser Zerstörung  durchzieht unsere Weltgeschichte bis in die Gegenwart.

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist DSCN5586-1-1024x801.jpg

(Kampfgetümmel „, Acryl auf Leinwand, 80×60, von Gustav Schädlich-Buter)

Die Wurzel der Gewalt im eigenen Herzen

Das Böse hat uns so leicht am Kragen und in irgendeiner Weise sind wir im Laufe des Lebens wohl alle irgendwie darin verwickelt. Die Gewalt in ihren vielfältigen Formen hat ihre Wurzeln oft genug im eigenen Herzen; dort finden wir Unruhe, Kälte, Abneigung, Abgetrenntheit und blinden Hass. Hass und Gewalt entsteht oft dort,wo wir uns nicht bedingungslos  geliebt und geschätzt fühlen und unseren Wert erst erleisten müssen, indem wir zum Beispiel andere ausstechen oder  besser sein wollen als der Kollege oder Nachbar. Frieden in der Seele entsteht dort, wo ich dieses bedingungslose Angenommensein erlebe  und in zwischenmenschlichen Begegnungen erfahren kann.

Frieden das heißt konkret: ein menschenfreundlicher Alltag, in welcher das Individuum  nicht zum Rädchen im Getriebe oder  zum „Kosten-Nutzen- Faktor“ wird, sondern als einmalige Person geschätzt wird. Frieden  heißt jemand haben, der es ehrlich mit uns meint, der zu uns hält und großzügig ist mit unseren Schwächen, aber uns auch die Wahrheit sagt.

Frieden suchen hängt stark an der Bereitschaft , sich zu versöhnen und auf Rache zu verzichten,  einen Zustand der Feindschaft und Erstarrung im Miteinander zu überwinden,  zum Gespräch bereit sein und nach einer Lösung des Konflikts suchen.  Das deutsche Wort für Versöhnung kommt von versuenen und bedeutet: zärtlich miteinander umgehen.  (vgl. dazu Anselm Grün).

Frieden suchen bedeutet sich von der Güte mehr inspirieren zu lassen als von der Bosheit. Dies  kann oft schon in kleinen Schritten geschehen: In Zeit online wurde erst darüber berichtet, dass Israelis und Iraner, deren Regierungen einander mit Krieg bedrohen,  sich über Facebook Friedensgrüße schicken. Israelis posteten: „Iraner, wir lieben euch, niemals werden wir euer Land bombadieren,“ steht über die Bilder geschrieben, die Freunde, Paare, Kinder, ganz normale Israelis zeigen. Die Initiative startete ein junger Mann im weißen Hemd, der seine Tochter auf dem Arm hielt. Er postet ein Liebesnachricht an die Iraner als alle von einem bevorstehenden Krieg redeten. Darin heißt es unter anderem: „Ich habe keine Angst vor euch, ich hasse euch nicht. Ich kenne euch ja nicht mal….Manchmal sehe ich hier im Fernsehen einen Mann aus dem Iran. Er redet über Krieg. Ich bin mir sicher, er repräsentiert nicht alle Iraner. Wenn ihr jemanden im Fernsehen seht, der darüber redet, euch zu bombadieren….seid euch sicher, er repräsentiert nicht uns alle….Wir wollen euch treffen, Kaffee mit euch trinken und mit euch über Sport reden.“ Inzwischen- so Zeit online-, kommen Grüße aus dem Iran zurück: „Israeli People, we love you too“, wir lieben euch auch.

Solch kleine  Gegenzeichen wollen dem geschürten  Hass, der angstmachenden Bedrohung und der gesäten Feindschaft nicht das letzte Wort überlassen. Dies sind die  die im Menschen aufgewachten Friedensträume von Weihnachten, von welchen  die Engel  im Evangelium singen. Lassen wir es aus unserer Seele nach Frieden tönen.

Impuls zum Nachdenken:

Was bedeutet für mich Friede?

Wo kann ich  mutmachenden Friedenszeichen in meinem  privaten Bereich setzen(z.B. beim Streit in der Familie oder mit einem Nachbarn, beim Konflikt im Arbeitsteam oder der Firma…..)

Wo kann ich mich für Frieden und Gerechtigkeit einsetzen?

Lauschen lernen

„Lange haben wir das Lauschen verlernt“, stellt die Lyrikerin Nelly Sachs in einem ihrer Gedichte fest, und sie beklagt, dass das „Ohr der Menschheit“ ein „nesselverwachsenes“ geworden ist, unfähig zu hören. Und dies, obwohl der Schöpfer uns einst gepflanzt hatte „…zu lauschen/Wie Dünengras gepflanzt, am ewigen Meer.“ (in: Nelly Sachs, Gedichte , hrsg. von Hilde Domin, Frankfurt a. M. 1977, S.17)

(Foto: Indischer Ozean, Foto von G. Schädlich-Buter)

In Politik, Talkshows und Unterhaltungsindustrie reden Menschen aufeinander ein ohne aufeinander zu hören, nicht selten mit dem ausschließlichen Ziel, auf sich aufmerksam zu machen oder sich mit der eigenen Idee durchzusetzen. Permanente Berieselung von überall her, lässt unsere Hörfähigkeit verkümmern; mit der Zeit werden die „Ohren des Herzens“ taub, die leisen Zwischentöne bleiben ungehört. Es ist wie auf einem Bahnhof: alles ist angefüllt mit lauten, aggressiven und blechernen Geräuschen. Ein bedeutungsloses, gleichgültiges  Stimmengewirr umgibt uns, kein Wort, das zum Herzen vordringt und vertraut anspricht. Tausend Geräusche -außen und innen- lenken uns ab und hundert Geschäfte führen uns fort  „…von seinem Licht“ (Nelly Sachs).

„Wenn es nur einmal so ganz stille wäre. Wenn das Zufällige und Ungefähre verstummte und das nachbarliche Lachen, wenn das Geräusch, das meine Sinne machen, mich nicht so sehr verhinderte am Wachen-:…“ läßt R. M. Rilke den Gott suchenden  Mönch sagen. (R. M. Rilke, Das Stundenbuch, S.13.)

Die Stille ist die Voraussetzung für das Hören, das Lauschen, damit der Anruf nicht untergeht. In der Abgeschiedenheit der Natur, kann man sie vielleicht wiederfinden, die Fähigkeit zu hören und wahrzunehmen: das Rauschen des Windes, das Summen der Insekten, das Rascheln der Eidechse, das Vogelgezwitscher, das Gluckern des Baches….

Aber es geht letztlich nicht um die äußere Stille, sondern um das innere Schweigen (der tausend Gedanken, Ideen, Pläne..), um wirklich hörfähig zu werden. Mit dem „Höre“ (Röm 10,17) beginnt alles geistliche Leben. Es geht um die innere Haltung, auch wenn die äußere Stille dazu sehr hilfreich sein kann, um ein Ansprechbar-werden für Gott und den Mitmenschen. „Ehe es wächst, lasse ich euch es erlauschen“, heißt es beim Profeten Jesaja.

Gott ruft den Menschen. „Ich habe Dich beim Namen gerufen“ (Jes 43,1), um Inneres Wachstum, inneren Wert und die Erfahrung: „Ich bin mehr als eine Nummer oder ein Rädchen im Getriebe. “ Stärke und Zugehörigkeit hat mit dem „Hören“ dieses Rufes zu tun.

(„Erhört“, Öl auf Acryl,von  Gustav Schädlich-Buter)

Wer nur an sich selbst glaubt, dem genügen Selbstgespräche und Selbstbehauptungen, sagt der Theologe Fulbert Steffensky.  Dort aber wo Menschen aufeinander hören im „Zwischen-Raum“ von Ich und Du, aneinander Interesse haben, – absichtslos, unbewaffnet, ohne Strategie und Absicherung-, ereignen sich nicht selten ungeahnte Aufbrüche; dort geschieht hörend und lauschend  etwas Neues“, das sich nicht aus schon Vorhandenem und Vorgebahntem ableiten lässt. Individuelle, aber auch  weltpolitische Auf- und Durchbrüche geschehen hörend und die Zeichen der Zeit wahrnehmend.

Die jüdische Dichterin Nelly Sachs zumindest mahnt uns in ihrem Gedicht: „Verkaufen dürfen wir nicht unser Ohr,/ O, nicht unser Ohr dürfen wir verkaufen.“