Hoffnung beleben

„…Wer könnte atmen/ ohne Hoffnung/dass auch in Zukunft/Rosen sich öffnen…//heißt es in einem Gedicht von  jüdischen Lyrikerin Rose Ausländer (1901-1988), welche den Todestransporte der deutschen Wehrmacht nur knapp entkam. Nur die Hoffnung lässt Rose Ausländer leben und überleben, gibt ihr die Kraft am Leben nicht zu verzweifeln. Hoffnung gehört zu den Lebensgrundlagen des Menschseins wie die Atemluft. „Wer könnte atmen/ohne Hoffnung“, sagt die Dichterin auch. Schon ein lateinisches Sprichwort sagt: „Dum spiro, spero“- solange ich lebe, hoffe ich. Hoffnung ist eine Kraft in uns, die sich stärker erweisen kann als Angst, Verzweiflung, Trauer, Müdigkeit und Resignation.

„Wer hofft, ist jung.“, heißt es in dem Gedicht auch.  Wer hofft, ist auf eine Zukunft ausgerichtet. Hoffnung ist eine gespannte Erwartung auf die Zukunft. Kinder und junge Menschen stecken noch voller Hoffnungen und Erwartungen ans Leben; sie erwarten gespannt auf das, was kommt.

Die Kraft der Hoffnung und damit die Lust am Leben wächst, wenn wir mit offenen Augen durch die Welt gehen: die Rosen im Garten, die sich öffnen, die zwitschernden Amseln am frühen Morgen, der freundlicher Gruß der Kollegin und vieles andere, was das Herz weckt die Hoffnung, dass das Leben doch gut ist. So können alle durch unser Verhalten, durch unsere Freundlichkeit an der Hoffnung dieser Welt mitwirken.

Wer keine Hoffnung mehr hat, der ist am Ende, der fühlt sich alt, verbraucht und leer. Hoffende Menschen dagegen bleiben, auch wenn sie alt werden, jung, weil sie das Lebenselexier Hoffnung in sich tragen. Die Kraft zu hoffen, muss aber geübt werden, so der Philosoph Ernst Bloch; sie verlangt Disziplin, auf eine Zukunft zu setzen, auch wenn vieles dagegenspricht und arbeitet. Wer sich für eine gerechtere und friedlichere Welt einsetzen will, braucht einen langen Atem der Hoffnung. Wer Kinder großziehen will, braucht die Kraft der Hoffnung, dass deren Leben gelingt, auch wenn sie ganz andere Wege gehen. Wer sich für mehr Rechte für behinderte Menschen einsetzt, braucht ebenfalls die Kraft der Hoffnung, dass sich in unserer Gesellschaft trotz aller Widerstände etwas zum Besseren verwandeln lässt.

Nicht selten deckt aber eine negative Einstellung zum Leben, und die Sucht, alles pessimistisch zu sehen, die Kraft der Hoffnung zu, die gerade dann auftaucht, wenn wir handeln und anpacken, um eine missliche und ungute Situation, zu verändern. „Hoffen lernt man dadurch, dass man handelt, als sei Rettung möglich“, sagt Fulbert Steffensky, und dieses Handeln hängt nicht vom Erfolg der Handlung ab, sondern kann in sich gerechtfertigt sein.

Fast jede und jeder von uns kommt im Laufe eines langen Lebens in Situationen, in denen er müde und resigniert ist von den Lebenskämpfen, und die Erfahrung macht, mit Willenskraft nicht mehr weiterzukommen. Doch wenn wir uns am Ende der eigenen Kräfte einer tieferen Macht anvertrauen lernen, dann kann genau am Tiefpunkt der Krise ein wundersamer Umschlag passieren: eine Kraft taucht auf, die den Mut zum Weitergehen schenkt, die mit neuer Gewissheit und Zuversicht anfüllt. Das ist die Kraft der Hoffnung, die wie ein Stern am bewölkten Himmel plötzlich auftaucht oder wie ein Sonnenstrahl, der sich durch die dunklen Wolken gekämpft hat. Wir brauchen einander im Hoffen, denn die Erfahrung zeigt, dass die eigene Hoffnung allein nicht ausreicht, das Leben zu bestehen, um über die Abgründe zu gelangen oder einen Traum zu realisieren. „Ich habe einen Traum“, sagte Martin Luther King stellvertretend für viele Hoffende, ein Traum, in dem es um die Überwindung von Vorurteilen ging, ein Traum, der durch sein von der Hoffnung getragenes Handeln, weitgehend realisiert wurde.

Allein im Licht der Hoffnung, die immer auch ein Geschenk ist, können wir in dieser Welt, im Leiden und Scheitern, im allzu Zerbrechlichen, im trübseligen Strom menschlicher Schwächen und Bosheiten, immer noch an Zukunft und Erneuerung glauben. Doch stehen wir immer wieder vor der Wahl, ob wir die Welt aus rein weltlicher Sicht betrachten und bewerten wollen oder eben im Licht der Hoffnung, um auch noch im Unscheinbaren und „trotz alledem“ Gottes Gegenwart zu erkennen, der für Christen der Grund ihrer Hoffnung ist. Die christliche Hoffnung  ist eine maßlose Hoffnung, auf eine neue Erde, auf der Gerechtigkeit wohnt, auf ein ewiges Leben, das dem Tod nicht das letzte Wort geben will, und auf  eine Auferstehung schon in diesem Leben, die sich der Mutlosigkeit, dem jammernden Selbstmitleid und der Verzweiflung tapfer entgegenstellt.

Zum Nachdenken:

Worauf hoffe ich und was tue ich dafür?

Wer oder was gibt mir Hoffnung?

Mit wem teile ich meine Hoffnung?

Literatur zu Vertiefung:

Melanie Wolfers, Zuversicht, die Kraft, die an das Morgen glaubt.

Gustav Schädlich-Buter