Weihnachten- das Fest der Liebe

Weihnachten- das Fest der Liebe

Was ist Weihnachten? Was bedeutet Weihnachten? Warum feiern wir es seit Jahrhunderten so hartnäckig? Was ist das Wichtigste an Weihnachten und der Weihnachtszeit?

Für die einen ist es heute verbunden mit einem Schlendern über idyllische Weihnachtsmärkte mit Glühwein, Lebkuchen oder Bratwurst, andere sehen darin vorallem den Stress, die entsprechenden und womöglich erwarteten Weihnachtsgeschenke zu besorgen; manche, denen das entsprechende Kleingeld zur Verfügung steht, flüchten daher vor der Stressüberflutung an Weihnachten in die Karibik oder die Malediven. Für die meisten ist es wohl ein schönes Familienfest, bei dem alle zusammenkommen, und in gemütlicher Runde gegessen, getrunken, gesungen und geredet wird. Für wieder andere ist Weihnachten unbedingt mit einem Kirchgang verbunden, und ohne Krippe und „Stille Nacht, heilige Nacht“ ist es kein richtiges Weihnachten.

Womöglich würden bei all den unterschiedlichen Auffassungen über Weihnachten die meisten darin übereinstimmen, dass das Weihnachtsfest vorallem das „Fest der Liebe“ ist, auch wenn es oft genug gerade an Weihnachten zu Streit angesichts der Übererwartungen kommt.

Ein Fest der Liebe, aber was ist damit eigentlich gemeint? Was ist Liebe?

Ist Liebe nicht ein abgegriffenes, missbrauchtes, allzu sentimentales Wort, das in gefühlsduseligen Filmen oder schmalzigen Schlagern vorkommt? Mag sein. Doch ohne Liebe könnte kein Mensch auf Dauer leben, weil Liebe das Grundelexier des Lebens ist. Wer sich geliebt weiß, und wer das Glück hatte, in einem Nest von Liebe und Sicherheit aufzuwachsen, der kann sich in diesem Leben verwurzeln, in seinem Leib ein Zuhause finden und sich mit anderen verbunden fühlen. Der Benediktiner David Steindl-Rast sieht das Verbindende aller Formen der Liebe, – wie die leidenschaftliche Anziehung zwischen Menschen, die Liebe unter Geschwistern ebenso wie die Liebe im Engagement für Andere-, in einem Bewusstsein des Zusammengehörens und der Verbundenheit mit allen und allem.  Liebe ist für Steindl-Rast dieses Ja zum Zusammengehören, ein Ja, das sogar unsere Feinde einschließt. (vgl. Fülle und Nichts, Von innen her zum Leben erwachen, Freiburg im Breisgau 2005)

Die Tragödie besteht nur darin, dass sich die meisten Menschen nicht ausreichend geliebt fühlen und daher auch nicht so richtig lieben können und daher auch nicht so liebenswert sind. Zu viele Menschen fühlen sich nicht geliebt, einsam, unansehnlich und nicht gebraucht; zu viele Menschen fühlen sich nur unter Bedingungen geliebt; geliebt, solange ich funktioniere, meine Leistung bringe, den Erwartungen entspreche…

Vielleicht ist Weihnachten und die Weihnachtsgeschichte mit dem Jesuskind in der Krippe, zunächst einmal die Erinnerung an ein ursprüngliches und bedingungsloses Geliebtsein. Oder so etwas wie es die Schriftstellerin Angelika Krauß in Ihrem Band „Eine Wiege“ (Berlin 2015) ausdrückt: „Es ist wie die Rückkehr zum Glanz der ersten Blicke, zur Freude der Erstbegegnung, eine Art wiedergeschenkte Schönheit des Anfänglichen.“ (13)

Die Philosphin Hannah Arendt spricht von der Natalität oder „Gebürtlichkeit“ (als Gegenbegriff zur Sterblichkeit und dem „Sein zum Tode von Heidegger) und sie meint, dass mit jedem Menschen etwas Neues anfängt und etwas Neues in Bewegung gesetzt werden kann.

Oder christlich ausgedrückt: Gott offenbart und enthüllt seine bedingungslose und überströmende Liebe in diese unsere Welt und Geschichte hinein mit der Geburt von Jesus Christus und setzt damit einen Neuanfang, auch angesichts der ganzen Kakophonie menschlicher Bosheiten und dem Zwang immer wieder einander zu verlezten.

Es ist das göttliche Kind, das unser verletztes, verwundetes und entfremdetes inneres Kind berühren und heilen will, indem es uns ein fragloses Angenommensein ins Ganze der Wirklichkeit hineinnimmt. Und in dieser Begegnung geschieht ein Neuanfang, ein Aufbruch, der sagt, dass wir nicht auf das Vergangene festgelegt sind, dass wir zutiefst geliebt und erkannt sind, dass wir mehr sind als eine Laune der Natur.

Es ist das göttliche Kind, das wir in der Krippe betrachten können, uns dass uns mit offenen Armen in Empfang nehmen will und sagt, dass wir ohne Wenn und aber von Gottes Liebe umfangen sind.

Nicht umsonst sagt der Mystiker Angelus Silesius:

Wird Christus tausendmal zu Bethlehem geboren
und nicht in dir, du bleibst noch ewiglich verloren.“

(vgl. der Cherubinische Wandersmann)

Für den Mystiker ist das Weihnachtsgeschehen daher weit mehr als eine beschauliche Geschichte, sondern er sieht, nach weihnachtlichen Vorbild, eine innere Verbindung zwischen der Menschwerdung Jesu und der inneren Geburt Gottes in der menschlichen Seele. Dadurch wird der Mensch aus seiner Verlorenheit, aus seinen Verstrickungen herausgeführt und letztlich von seinem Gefühl des Ungeliebtseins erlöst.

Wir müssen zudem über ein rein sentimentales Verständnis von Weihnachten als „Warten auf das Jesuskind“ hinausgehen. Es geht um eine sich entäußernde Liebe, die nicht erst mit der Geburt Jesu (dort in verdichteter Form), und seiner Inkarnation, sondern schon am Anfang und als Urgrund der Schöpfung wirkte und weiterwirkt.

Für den Jesuiten und Naturforscher Teilhard de Chardin, ist die Liebe als Energieform die zentrale Kraft schlechthin, für das Fortschreiten der Evolution und das Weiterentwickeln der Schöpfung. (vgl. dazu ausführlicher, Raimund Badelt, Energie Liebe Teilhard de Chardin- ein Mystiker der Evolution, Würzburg 2017)

Und um es noch etwas anders mit den Worten der Dichterin Angelika Krauß zu sagen: „In unserem schnellen Leben, das sich in immer neue, erregende Simulationen zu verlieren droht, erscheint sie (die Liebe, d.V.) wie das letzte eherne Maß. Es muss auch von dort stammen, von wo wir unserer molekularen Zusammensetzung nach herkommen: von weit her in Zeit und Raum, von dort oben. Das hieße, der gleichgültige Kosmos impliziert die Liebeskraft vielleicht ebenso wie die Gravitation.“ (Marion Gees: Die Kindheit, die Liebe und die Form. In : Angela Krauß. Text+ Kritik 208. München 2015)

Schon am Anfang als Gott beschloss, sich in der Schöpfung vor 13,7 Milliarden Jahren beim Urknall zu manifestieren, quasi als erste Inkarnation- man spricht auch vom universalen Christus (vgl. Richard Rohr, Alles trägt den einen Namen – Die Wiederentdeckung des universalen Christus“), waren Materie und Geist schon eins, geschah dieser atemberaubende Aufbruch und die Urexplosion aus einem dunklen Urschoß ins Leben, die bis heute geschieht. Gott stiftet diese Urbeziehung vor aller Ewigkeit und diese Beziehung ist Liebe, die auch heute mit mir und in mir geschieht. Oder wie es in den alten Texten der Liturgie heißt: „Ex utero ante luciferum genui te“ (Ich habe Dich vor dem Lichtgestirn aus dem Ur- Schoß gezeugt. (Psalm 110,3) Vgl. dazu, Bernardin Schellenberger, Im Glanz des göttlichen Lichtes. Orthodoxe Mystik, Geheimnis und Herausforderung München 2014)

Wenn wir diese Tiefendimension von Weihnachten vernachlässigen, so der frühere Trappist Bernardin Schellenberger, und die Weihnachtsbotschaft auf die Geschichte vom Kind im Stall verkürzen, verspielen wir die atemberaubende Vergegenwärtigung des unfassbaren Gottes im Weihnachtsfest.

„Jene Wirklichkeit, die den unermesslichen Kosmos und auch unsere Welt und uns selbst hervorgerufen hat, gibt sich selbst in die Dynamik von Werden und Vergehen, von Geborenwerden und Sterben hinein. Ihr Name bleibt nicht absolut geheimnisvoll und rätselhaft, sondern wir in Jesus Christus ein Mensch wie wir, den man benennen und sich vorstellen kann. Er teilt unser Schicksal bis zum Tod in uns, ja in uns. Mehr noch: Er durchbricht diesen unseren Tod, der der seinige geworden ist und führt uns in die Gegenwart seines unfassbaren ewigen Lichtes, das den Hirten aus der dunklen Nacht über den Feldern von Bethlehem aufgestrahlt ist.“ (Bernardin Schellenberger, Im Glanz des göttlichen Lichtes, S.80)

Gustav Schädlich-Buter

Weihnachten-Licht in die Finsternis

„…Und das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfasst…Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt“ Johannes Prolog 1,5

„Als tiefes Schweigen das All umfing und die Nacht bis zur Mitte gelangt war, da sprang dein allmächtiges Wort, o Gott, vom Himmel herab.“

(aus dem Buch der Weisheit)

„Ex utero ante luciferum te genui“ (Inroitus aus der Mitternachtsmesse)/ „Ich habe dich vor dem Lichtgestirn aus dem Uterus gezeugt“

Das beschreibt einen metaphysischen Urknall noch vor dem physischen, etwas Atemberaubendes und Umwerfendes, das in den Weiten des Kosmos geschah und geschieht und in unserem Inneren, auch heute.

Weihnachten

Bald schon steht Weihnachten und das Weihnachtsfest wieder vor der Tür. Für das Weihnachtsfest wird hergerichtet, eingekauft, und geplant, was durchaus sinnvoll ist; aber ganz ehrlich, dass ein Fest schön, erfüllend und glücklich machend wird, ist bei bester Planung nicht garantiert. Nicht selten führen sogar die Übererwartungen an diesem Tag zu Streit, Dissonanzen und Unfrieden.

Vor einigen Jahre sah ich in einer Kirche eine Krippendarstellung, die mich erstaunte: eine leere Krippe, daneben ein Korb mit etwas Stroh darin, sonst nichts. Nichts von all dem, was sonst auf der göttlichen Bühne aufgebaut ist: kein Kind, keine Maria, kein Josef, kein Ochs und kein Esel, keine Schafe, keine Hirten und keine schwebenden Engel und auch keine stimmungsvolle Hintergrundmusik. Nur eine leere Krippe, die keinen Anlass gab zum Schwelgen in Kindheitserinnerungen.

Nackt, kahl, verloren stand sie da, diese Krippe aus Holz,  vor der grauen Betonwanddieser modernen Kirche. Keines der sonst auftauchenden Gefühle von Wohligkeit und Harmonie wollten sich einstellen. Eine karge, von allen sentimentalen Äußerungen und Wunschphantasien abgespeckte, Weihnachtsdarstellung. Die bekannten Bilder und Vorstellungen waren weitgehend weggenommen. Was mir ins Auge fiel, war die zwischen den Krippenhölzern auftauchende Leere und das Bewusstsein, dass da etwas fehlt.

Was ist das für eine Leere? Eine Leere, die symbolisch die Verlorenheit des Menschen in einem riesigen unpersönlichen Kosmos andeutet? Eine Leere angesichts des Gottesverlustes, von der schon der Philosoph Friedrich Nietzsche in seinem 1882 erschienen Buch von der „Fröhlichen Wissenschaft“ sprach: „Wohin ist Gott? Ich will es euch sagen: Wir haben ihn getötet-ihr und ich…Was taten wir, als wir diese Erde von ihrer Sonne losketteten? Wohin bewegt sie sich nun? Wohin bewegen wir uns? Fort von allen Sonnen?….Haucht uns nicht der leere Raum an? Ist es nicht kälter geworden? Kommt nicht immerfort die Nacht und mehr Nacht?“ (Friedrich Nietzsche, Kritische Studienausgabe Bd. 3, München 1980, 480-482)

Oder ist es eine Leere in mir, die zwar spürt, dass die alten Bilder und Sprachspiele für Gott nicht mehr recht taugen, aber die voller Sehnsucht darauf wartet und daran glaubt, dass diese Leere gefüllt werden wird, wenngleich anders als wir es womöglich erwarten oder zu wissen glauben.

Eine zentrale Einsicht, welche uns das Leben und auch die Bibel vermittelt, besteht darin, dass wir das Wesentliche des Lebens nicht selbst machen können. Liebe und Geborgenheit können wir nicht kaufen, inneren Frieden nicht herstellen, Verzeihung nicht erzwingen, Hoffnung nicht selbst erzeugen, innere Wandlung nicht bewerkstelligen, solange wir alles im Griff und unter Kontrolle haben wollen, wird die Krippe leer bleiben; denn das Wesentliche des Lebens geschieht von selbst. „Es“ überrascht uns, -ein überraschender Besuch von einem guten Freund, ein Wort, das uns im Herzen berührt, ein Brief, der unsere Seele weckt, ein Stolpern auf dem selbst geplanten Weg…- und plötzlich sind die die Augen offen und wir „sehen“: das „Kind in der Krippe“.

(Geburt, Acryl auf Leinwand, 60 x 60cm, von Gustav Schädlich-Buter)

Was wir selber tun können ist die Krippe bereitstellen, mit etwas Stroh daneben, uns empfangsbereit halten, innehalten, das Lauschen mitten im Lärm wieder erlernen, auf den Atem achten, der uns am Leben erhält. Unseren Geist leer machen von überflüssigem Ballast und Scheinwissen, dass Platz wird für den wahren Gott oder die unsagbare Mitte unseres Lebens. So empfiehlt der Barockdichter und Mystiker Angelus Silesius, der im 17. Jahrhundert gelebt hat, uns  geschäftigen, gehetzten, unruhigen, überbeanspruchten  Zeitgenossen:

Halt an, wo läufst du hin – der Himmel ist in dir! Suchst du Gott anderswo. Du fehlst ihn für und für. Wird Christus tausendmal zu Bethlehem geboren und nicht in dir, du bleibst noch ewiglich verloren.“

Kosmischer Geburtskanal, Acryl auf Leinwand

Und das scheint die Botschaft dieser leeren Krippe zu sein, die nicht außerhalb von uns irgendwo steht, sondern in unserem Herzen: Weihnachten geschieht! Das Wesentliche unseres Lebens geschieht- und nicht selten an Orten, wo wir es nicht erwartet hätten. Lassen wir uns überraschen!

Literatur zum Innehalten:

Angelus Silesius, Cherubinischer Wandersmann, Reclam Ausgabe 1986

Christian Lehnert, Cherubinischer Staub- Gedichte ,  Berlin 2018 (sehr empfehlenswert; Christian Lehnert nimmt in seinem Lyrikbuch „Cherubinischer Staub- Gedichte “, das im Suhrkamp Verlag erschienen ist, Bezug auf die deutsche Mystik eines Angelus Silesius und Jakob Böhme)