Der Umgang mit Macht

Macht ist ambivalent

Ist Macht gut oder böse? Womöglich geht es Ihnen wie mir und das Thema und der Begriff Macht hinterlässt zunächst ein durchaus zwiespältiges Gefühl. Das mag daran liegen, dass das Ideal von Nächstenliebe , Selbstlosigkeit und Macht sich zu widersprechen scheinen.

Aber auch daran, dass wir an Menschen (in Politik, Wirtschaft oder Kirche…)denken, die ihre Macht missbrauchten, um ihre Überlegenheit zu demonstrieren und andere klein zu halten. Und schließlich, weil jede und jeder von uns selbst in der Gefahr steht, sobald  ihm Macht zur Verfügung steht, jene zum Eigennutz (für Ruf , Ruhm und Einfluss) zu verwenden oder andere zu manipulieren.(Gurus und religiöse Fanatiker haben heute ja auch Hochkonjunktur) Jedenfalls kann Macht süchtig nach „mehr“ machen, und zur Selbstüberschätzung und zum Größenwahn führen. Solche Macht schürt aber zugleich- je höher man in der Machtspirale angekommen ist- die Angst vor jedem Rivalen, der die Macht streitig machen könnte (wie schon die  biblische Geschichte vom König Herodes nahelegt oder das aktuelle Politikgeschehen vielfältig zeigt). Nicht selten stammt ein übergroßes und falsch verstandenes  Machtbedürfnis einem mangelndem Selbstwert, einem erlebten Ohnmachtsgefühl oder traumatischen Erlebnissen, die kompensiert werden sollen.

Machtdemonstration-scheinmacht, Kreide

Der Soziologe Max Weber hat den modernen, eher negativ gefärbten Machtbegriff geprägt und definiert Macht „als das Vermögen einer Person oder Gruppe, ihren Willen und ihre Ziele auch gegen äußere oder innere, materielle oder personelle Widerstände durchsetzen zu können.“(Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, 1921, Kap1, §16)

Die positive Seite der Macht

Doch Macht hat durchaus auch eine positive Konnotation, worauf schon der althochdeutsche Begriff mugan für Macht hinweist, dessen indogermanische Wurzel magh „vermögen, können“ bedeutet.

Es ist wohl eine tiefe Sehnsucht im Menschen, etwas selbst gestalten zu können, Einfluss zu haben auf das , was geschieht im eigenen Leben und in der Welt, etwas aus der eigenen Kraft heraus realisieren zu können. Macht bezieht sich zunächst darauf, sein eigenes Leben bestimmen zu können; ich will  Macht habe über mich selbst statt fremdbestimmt und abhängig von anderen zu leben. Selbstmächtig zu leben statt gelebt zu werden.

In einer zweiten Bedeutung geht es bei der Macht darum, andere zu führen und zu leiten. Schon Eltern müssen Macht ausüben, um ihre (zumal kleinen)Kinder vor Gefahren zu schützen und für deren Wohl zu sorgen. Das geht nicht ohne Konflikte, erzeugt Protest und Widerstand, weil der eigene Freiheitsraum  eingeschnürt wird. Machtgebrauch verlangt jedoch schon hier einen dosierten und verhältnismäßigen Einsatz und eine Überprüfung der Motive des Machtausübenden.(Gibt es eine Lust der Machtausübung? Empfinde ich Genugtuung dem anderen eins reinzuwürgen?….)

Wer Machtausübung (auch als Chef in einem Betrieb) als Dienst am anderen oder einer guten Sache versteht, wird darum bemüht sein, das Lebendige, das im anderen steckt, wahrzunehmen, dessen Kreativität zu fördern und bislang verborgene Fähigkeiten hervorzulocken. Es geht als  Führender darum, beim anderen die Lust zu wecken, sich mit seinem Potential einzusetzen und sich einzubringen (in der Firma, in der Gemeinschaft, in der Wohngruppe….).

(„König Herodes“, Acryl auf Leinwand, 80x100cm von G. Schädlich-Buter)

Biblische Impulse zur Macht

Das biblische Motiv dazu lautet: „…. der Führende soll werden wie der Dienende“(Lukas 22,25 f)Zudem sollte der Mächtige bei seinem Dienst für andere bereit sein sowohl auf sein Inneres zu hören als auch auf jene, für welche er verantwortlich ist.(vgl. dazu 1 Kön 3,9). Macht bedarf immer wieder der Läuterung (Gewissenserforschung) und ist solange gut, solange sie nicht selbst das Ziel ist, sondern Mittel, um ein Gut oder gemeinsames Wohl in verantwortungsvoller Weise anzustreben oder um gegen Böses, Ungerechtigkeit  und Inhumanes vorzugehen. Macht und Machteinsatz bleiben verwiesen auf ihre Ziele.

Verweigerte und verdrängte Macht

Wer Macht verweigert und sie nicht ausübt, verweigert auch die Möglichkeit, das Leben mitzugestalten und dem Leben zu dienen. Deshalb ist es durchaus legitim, Macht anzustreben, wenn sie guten Zielen und Werten dient. Wer zu seiner Macht offen steht, lässt auch zu, dass man sich gegen sie wehrt. Viel schlimmer ist verdrängte, versteckte oder subtil eingesetzte Macht, die immer destruktiv wirkt und meist ein ohnmächtiges Gegenüber zurücklässt, das sich nicht wehren kann. Es gibt einen sehr subtilen Gebrauch von Macht, der z.B. mit Schuldgefühlen tyrannisiert. Zudem tritt Macht als Schattenproblematik leicht bei jenen auf, die ausschließlich von Nächstenliebe und Dienen reden.

Impuls zum Nachdenken:

Welche Gefühle löst das Thema Macht bei mir aus? Hab ich schon mal darüber nachgedacht?

Wie und wo erlebe ich Macht/Ohnmacht in meinem Erfahrungsbereich?

Für welche Ziele und Werte würde ich oder kann ich meine Macht einsetzen?

Literatur zur Vertiefung:

Bauer- Jelinek, Christine, Die helle und die dunkle Seite der Macht- Wie sie ihre Ziele durchsetzen, ohne ihre Werte zu verraten, 2009

Grün, Anselm, Selbstwert entwickeln, Ohnmacht meistern, Stuttgart1995

Grün, Anselm, Kohl, Walter , Was uns wirklich trägt, über gelingendes Leben, Freiburg im Br. 2014, S. 198-216

Kiechle, Stefan, Macht ausüben, Ignatianische Impulse, Würzburg 2005

Wirth,H.J., Narzissmus und Macht: Zur Psychoanalyseseelischer Störungen in der Politik, 4.Auflage 2011