Der „Engel in dir“

Künstler scheinen eine ganz besondere Affinität zu Engeln zu haben: Rainer Maria Rilke, Paul Klee, Marc Chagall, Rose Ausländer, um nur einige zu nennen, schreiben oder malten über Engel.

Bilder und Lyrik haben etwas von der Unverfügbarkeit, die  Engeln eigen ist und die letztlich auf die Unverfügbarkeit Gottes weist. Das moderne Interesse an Engeln weist auf die Sehnsucht nach einer tieferen Wirklichkeit für die Menschen.  Die Gefahr wie sie in Esoterikbüchern heute zu finden ist, besteht darin,  allzu genau und neugierig  wissen zu wollen, was Engel sind. Dort, wo wir sie aus dem schwebenden Raum  herausnehmen, wird klar: Engel lassen nicht über sich verfügen und wo wir sie festhalten wollen, fliegen sie weg.

„IHR SEHT SIE NICHT/Ihr Ungeübten, die in den Nächten/nichts lernen./Viele Engel sind euch gegeben/Aber ihr seht sie nicht.“ (Nelly Sachs)

Die Dichterin Nelly Sachs weist uns darauf hin, dass eine Offenheit für die Traumwelt, für das, was unterhalb des Tagesgeschehens und hellen Bewusstseins liegt, notwendig ist, damit wir  Engel wahrnehmen und uns  von ihnen berühren  lassen können. Schon in der Bibel gilt der Engel als Bote Gottes,  dessen Aufgabe es ist, die heilende und liebende Nähe Gottes  zu den Menschen zu bringen und ihn auf seinen Weg zu beschützen. ( vgl. dazu ausführlicher: Anselm Grün, Andreas Felger, Engel, Bilder göttlicher Nähe, Aquarelle und Meditationen, Freiburg im Br. 2004)

Gott schickt seine Engel in die Alltagssituationen der Menschen. Dort, wo jemand in Not ist, aussichtslos in der Enge, allein,  isoliert oder überfordert. Engel treten in unser Leben, öffnen unser Ohr,  verwandeln Festgefahrenes,  machen uns „sehend“, halten unser brüchiges und bedrohtes Selbst zusammen. Immer widerfährt dabei dem Menschen etwas, was heilend und helfend auf ihn einwirkt. Engel als geschaffene geistige Wesen können durch eigene seelische Kräfte, durch andere Menschen  und in Träumen zu uns kommen.

Anselm Grün erzählt von einer Frau, die nie daran glauben konnte, dass Gott sie liebt und gern hat trotz der vielen Predigten, die sie darüber gehört hat. Da träumte sie davon, dass eine Stimme zu ihr sprach: „Du bist meine geliebte Tochter..“ Das im Traum gehörte Wort war dadurch für sie  zur inneren erlebten Wirklichkeit geworden. (vgl. Anselm Grün, Jeder Mensch hat einen Engel, Freiburg im Breisgau 1999, S.14)

(Engelswache, Acryl auf Leinwand, 80cm Höhe x 60cm Breite von Schädlich-Buter)

Statt immer weiter in den Verletzungen der Kindheit und in den Wunden des Ungeliebtseins zu bohren, kann es sehr sinnvoll sein, nach „Engelsspuren“ (A.Grün) in meinem Leben Ausschau zu halten. Wo war ich trotz aller Kränkungen ganz  bei mir? Wo spielte ich selbstvergessen? Was waren meine Lieblingsorte?….

Immer sagen die Engel, dass Gott nahe ist und wir eingehüllt werden in seine heilende und  liebende Gegenwart. Rose Ausländer sagt im Gedicht „Engel in dir“:  „Aus seinen Flügeln rauschen/ Liebesworte/ Gedichte Liebkosungen// – für diese oft verschüttete tiefere Wirklichkeit einer alles durchströmenden Liebe sind die Engel als Boten „engagiert.“

Literatur zur Vertiefung:

Nelly Sachs , Gedichte , Frankfurt am Main 1977

 Anselm Grün, Jeder Mensch hat einen Engel, Freiburg im Breisgau 1999

Anselm Grün, Andreas Felger, Engel, Bilder göttlicher Nähe, Aquarelle und Meditationen, Freiburg im Br. 2004

Ingrid Riedel, Engel der Wandlung, Freiburg im Br. 2000

Zum Nachdenken:

Wo in meinem Leben sind mir Menschen wie „Engel“ zur Seite gestanden?

Wo gab und gibt es “ Engelsspuren“  in meinem Leben ?