Litanei der Loslösung

der bekannte Franziskaner Richard Rohr schreibt über das Herzsutra in seinem Newsletter: Das Herzsutra (manchmal auch das Herz der Vollkommenheit der Weisheit genannt ) wird von vielen als die prägnanteste und tiefgreifendste Zusammenfassung der buddhistischen Lehre angesehen …Es endet mit einem Mantra… Es ist Erleuchtung selbst und Hoffnung selbst in verbaler Form. Es ist die ultimative Befreiung in die Realität.

Hier ist die Sanskrit-Transliteration des Refrains:

Tor Tor pāragate pārasamgate bodhi svāhā!

So wird es ausgesprochen:

Ga-tay, ga-tay, para ga-tay, parasam ga-tay boh-dee svah-ha!

Hier ist die Bedeutung: Vorbei, weg, den ganzen Weg gegangen, die gesamte Gemeinschaft der Wesen ist zum anderen Ufer gegangen, Erleuchtung – so sei es! [2]“ soweit Richard Rohr)

Es geht in diesem Mantra im Grunde um eine freudvolle Botschaft, vergleichbar dem Halleluja der Christen. Es geht um die Befreiung von all unseren Anhaftungen, Verlusten, Niederlagen, Traumatas und unserem Eigensinn. Die vergängliche Natur von allem wird anerkannt und die Kunst der Loslösung von aller Anhaftung bereits in verbaler Form gefeiert. Während kapitalistische Gesellschaften das Besitzen, Anhäufen und Festhalten lehren, den persönlichen Vorteil und den Eigenwillen stärken, lehrt das Herzsutra, einen Exodus aus den falschen und vorübergehenden Anhänglichkeiten in die wahre Freiheit, in welcher das falsche und relative Selbst losgelassen wird. Wir können an die Armut der leeren Hände denken, die nichts mehr festhalten können, die alles losgelassen haben und gerade darin die Hoffnung spüren, dass diese Leere von woandersher wieder gefüllt werden kann. Thomas Merton, der Trappistenmönch schreibt dazu: „Wir hoffen nicht auf das, was wir haben. In Hoffnung zu leben bedeutet daher, in Armut zu leben und nichts zu haben. . . . Hoffnung ist proportional zur Distanzierung.

Richard Rohr schlägt vor eine persönliche Litanei der Loslösung zu schreiben, die ich im folgenden Text versucht habe:

Persönliche Litanei:

Alle Sorgen, Nöte, Druck- Vorbei, weg, ganz weg!

Alles Grübeln, alle Gedanken, alle Zweifel- Vorbei, weg, ganz weg!

Alle Machspiele und Machtkämpfe, alle Rechthaberei- Vorbei, weg, ganz weg!

Alle Macht und Ohnmacht- Vorbei, weg, ganz weg!

Alle Schmerzen, Trauer und Verluste- Vorbei, weg, ganz weg!

Alle Begeisterung und alle Enttäuschung- Vorbei, weg, ganz weg!

Alle Unterwerfung, alle Unterdrückung- Vorbei, weg, ganz weg!

Alle Arroganz und Überheblichkeit- Vorbei, weg, ganz weg!

Alle Selbstsicherheit, alle Unsicherheit- Vorbei, weg, ganz weg!

Alle Strategie und Berechnung- Vorbei, weg, ganz weg!

Alle Urteile und Vorurteile- Vorbei, weg, ganz weg!

Alle Selbstbilder und Bilder von anderen- Vorbei, weg, ganz weg!

Alle Krankheit, Not und Behinderung- Vorbei, weg, ganz weg!

Alle Sorgen, Ängste Absicherungen- Vorbei, weg, ganz weg!

Alle Sorgen um Kinder und Beruf­- Vorbei, weg, ganz weg!

Alles Antreiben und Kontrollieren- Vorbei, weg, ganz weg!

Alle Jahrhunderte vor und nach mir- Vorbei, weg, ganz weg!

Aller Krieg und alle Schlachten vor mir, nach mir, in mir- Vorbei, weg, ganz weg!

Alle Ungerechtigkeit und Ausbeutung- Vorbei, weg, ganz weg!

Aller Rassismus und Nationalismus- Vorbei, weg, ganz weg!

Alles Böse, Zerstörerische, Negative- Vorbei, weg, ganz weg!

Alle guten Taten, auf die ich stolz war- Vorbei, weg, ganz weg!

Alle Neurosen und Traumatas- Vorbei, weg, ganz weg!

Alle Enge, Mutlosigkeit und Lebensverweigerung- Vorbei, weg, ganz weg!

Alle Anbiederung und Anhänglichkeit- Vorbei, weg, ganz weg!

Alle Wünsche und Illusionen- Vorbei, weg, ganz weg!

Alle Gottesbilder, die schönen und erschreckenden- Vorbei, weg, ganz weg!

Alles Streben, alle Gier und Hitzigkeit- Vorbei, weg, ganz weg!

Alle Sucht und alles Getriebensein- Vorbei, weg, ganz weg!

Alle Verluste, Niederlagen und Scheitern- Vorbei, weg, ganz weg!

Alle Siege, Erfolge und Gewinne- Vorbei, weg, ganz weg!

Alle Irrlichter und Nebel- Vorbei, weg, ganz weg!

Alle bellenden Hunde- Vorbei, weg, ganz weg!

Aller Entscheidungsdruck- Vorbei, weg, ganz weg!

Alle Idole und Vorbilder- Vorbei, weg, ganz weg!

Alle Vergleiche- Vorbei, weg, ganz weg!

Alle Erwartungen- Vorbei, weg, ganz weg!

Alle „Götter“- Vorbei, weg, ganz weg!