Mit Armut, Verlust, Scheitern und Versagen fallen die Masken ab, an denen wir oft viele Jahre unseres Lebens mit großer Lebensenergie gebastelt haben; aufwendige Selbstinszenierungen krachen ein, – wie wir an bekannten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens immer wieder vor Augen geführt bekommen. Mit der herunterfallenden Maske und Fassaden wird ein Selbst offenbar, das auf Schein beruht, ein mentales Selbstbild, das nicht dem Inneren entspricht.„Der Schein haftet am Sein und nur der Schmerz kann eins vom anderen ablösen“( Simone Weil). Ein solcher Lernprozess ist schmerzhaft, eine Art Geburtsschmerz, bei dem ich mich selbst und Gott tiefer kennenlerne; bei dem sich echtes Sein und aufgesetzter Schein auseinander dividieren wie es die Philosophin Simone Weil andeutet.
(„Maske und Angst“, Mischtechnik von Gustav Schädlich-Buter)
Solange hauptsächlich das falsche Selbst im Leben Regie führt, kreist man/frau um sich selbst , poliert die Fassade, frägt bei allem „Was bringt mir das ?“ und dient dem Götzen „Ego“. „Man“ führt große Worte im Mund, „frau“schminkt sich und putzt sich heraus. Man scheffelt Geld, raucht dicke Zigarre, spielt Machtspiele aller Art und ist cool. Man und frau sind süchtig nach sich selbst und treiben in Äußerlichkeit und Zerstreuung. Man(n) wird zu abgebrühtem Einzelkämpfern in einer zynischen Welt Gleichgesinnter.
Durch Grenzerfahrungen des Lebens, durch den Einbruch von Krankheit, Behinderung oder einen unerwarteten Schicksalsschlag„ kann sich alles ändern. Oder „Grad in der Mitte unserer Lebensreise“ , sagt der berühmte Dichter Dante in der Göttliche Komödie, kann es passieren, dass wir in einen „dunklen Wald“ geraten; dass unsere bisherige Lebensstrukturen und Werte nicht mehr tragen, dass ein Schatten auftaucht, den wir nicht mehr abschütteln können, dass unser „Schein-Ich“ abblättert und abfällt wie ein Mantel, der nicht mehr taugt..
Das kann schmerzhaft und befreiend zugleich sein, weil wir dadurch in eine Richtung getrieben werden können, die man als wahres Selbst oder als wahre Identität bezeichnen können. Befreit vom Ballast des falschen Selbst und des aufgeblähten Egos werden wir wieder zu „Anfängern“, die einen Freiheitsraum betreten und offen werden für wirklich „Neues“. Neulinge, die sich wieder berühren lassen und berührt werden.
Wer in diese Richtung sich bewegt, ist auf dem „Heimweg“. Er verlässt die „Türme“, in welche er sich verstiegen oder verschanzt hat, er wirft unnötigen Ballast ab und geht nach Hause. Adam, -der nackte Mensch- , Adam, – auf den Grund gekommen– , kehrt zum „Ursprung“ zurück, sieht sein Leben sich wandeln, wird von der Ichbezogenheit zur Gottbezogenheit „ge-kehrt. Wer auf diesem Wege ist, ahnt langsam, was wir „verborgen in Gott“ (Kol 3,3) sind und dass wir Anteil haben an der „göttlichen Natur“ (2 Petr.1,4)
(Titel: Auf dem Heimweg, Mischtechnik von G. Schädlich-Buter)
Und manchmal ist der Verlust von Besitz, Ansehen und Gesundheit die Erinnerung daran, dass es diese Heimat gibt und wir wie verlorene Söhne und Töchter (vgl. Lk.15) uns aufmachen können, heimwärts- zu wahrem Glück, echter Freiheit und innerem Frieden, den die Welt nicht geben kann. Und so kann unser alltägliches kleines Sterben und unser Sterben beim letzten Übergang zu einer Heimreise werden.
Literatur zur Vertiefung:
Dante Alighieri, Die göttliche Komödie, herausgegeben von Karl Witte, Köln 2009