Eigensinnig sein

Die Zuschreibung „Du bist ein eigensinniger Mensch“, hören die meisten Menschen wohl nicht besonders gern. Denn eigensinnige Menschen gelten, wie uns schon das Wörterbuch belehrt, als „störrisch, trotzköpfig, uneinsichtig, unnachgiebig, starrsinnig , verbohrt oder halsstarrig.“

Doch wäre umgekehrt zu fragen, ob der Eigensinn nicht auch eine gute Eigenschaft ist, in einer Gesellschaft, deren der Mainstream- Themen, -also das, was alle tun, denken, fühlen-, eine mächtige Anziehungskraft besitzen.  Immer gilt es auf der neuesten Welle zu schwimmen oder dort mitzumachen, wo viele sind und was viele tun. Das mag in den meisten Fällen zunächst harmlos sein , ist es aber nicht, wenn Situationen auftreten, in denen humane Grundwerte bedroht sind und echte Gewissensentscheidungen verlangt werden.  Dort sind Überzeugungen gefragt und es wird notwendig, eigensinnig „Ich“ zu sagen oder „mit mir nicht“,  „ statt „alle sagen (und machen) doch“.

Diese wichtige Aufgabe des „Ich“ -sagen – lernens muss eingeübt werden; und darf nicht verwechselt werden mit einem auf den eigenen Vorteil bedachten Egoismus oder mit einem um sich selbst kreisenden Narzissmus.

„Verwickelt im eigenen Ich“, Mischtechnik

„Der moderne Mensch möchte die Freiheit haben, nach seinem eigenen Willen zu handeln, wenn er wüsste, was er will, denkt und fühlt. Aber eben das weiß er nicht.“, erkannte schon 1941 der Psychoanalytiker Erich Fromm. Und der Philosoph Adorno meinte, dass die meisten Menschen schon zu lügen anfangen, wenn sie „Ich“ sagen.

„Ich“ sagen scheint also tatsächlich schwierig, so das sich viele in die gängigen Meinungen und Überzeugungen flüchten. Die Schwierigkeit „Ich“ zu sagen,  merkt man, wenn man aus der Menge heraustreten, sich positionieren und für die eigene Überzeugung einstehen soll; es kann die Karriere kosten , zumindest Konflikte mit sich bringen; noch schwieriger wird es, wenn dadurch nicht bloß der berufliche Aufstieg bedroht ist, sondern das eigene Leben in Gefahr gerät (wie es die frühen Christen erlebt haben oder Widerstandskämpfer im Nationalsozialismus wie Franz Jägerstätter.) Der eigenen Glaubens- oder Gewissensüberzeugung zu folgen, sein Leben für andere zu riskieren oder hinzugeben (man lese die Biografien eines Pater Maximilian Kolbe) mögen radikale Beispiele sein, doch sie zeigen den Unterschied, ob das eigene Leben von einer tieferen Überzeugung getragen ist oder eben nicht, ob ich auf eine tiefere Wahrheit (man mag sie Gott nennen oder anders)bezogen bin oder die „Kaiserstatuen“ (und alle ihre modernen Variationen) anbete.

Sicher, nicht jeder ist zum Märtyrer geboren, und muss es auch nicht sein, aber es gibt schon im Alltag genügend Situationen, wo ich mich fragen kann, bin ich jetzt zu meiner Überzeugung gestanden, war ich um der Wahrheit oder um der Menschen willen, eigensinnig genug oder habe ich jene und dabei mich selbst verraten.

Jedenfalls scheint ein solcher, oft sehr  mühsamer und riskanter Weg lohnender als auf dem Mainstream gängiger Moden und Glaubenssätze sich auszuruhen.

Literatur und Filmempfehlungen:

Christus oder Hitler?: Das Leben des seligen Franz Jägerstätter Gebundene Ausgabe – 1. März 2011 , von Cesare Zucconi (Autor)  (auch interessant für Geschichtsinteressierte)

Leben für Leben – Maximilian Kolbe , Christoph Waltz (Darsteller), Jerzy Stuhr (Darsteller), Krzysztof Zanussi (Regisseur) & 0 mehr Alterseinstufung: Freigegeben ab 12 Jahren Format:

Georg Elser – Er hätte die Welt verändert“,  Format: DVD

Zum Nachdenken:

Wo bin ich einmal für meine Überzeugung eingestanden?