Spielendes Kind- bejaht und geliebt

Kleine Kinder spielen meist noch unbeschwert, sie lachen, singen, albern herum, lassen ihren Gefühlen freien Lauf, haben unendlich viel Energie. Noch engt sie kein Leistungsdruck ein, noch blockieren keine verkrampft abzuarbeitenden Pflichten. Wenn sie sich wehtun, kommt Mama oder Papa, hilft auf, tröstet und spricht ein aufmunterndes Wort.

Leben bedeutet für Kinder spielen, spielen unter den wohlmeinenden und gütigen Augen der sie behütenden Eltern. Das dazugehörige Grundgefühl lautet: ich bin gemocht, da gibt es Menschen, die mich gern haben und auf mich aufpassen, ich gehöre dazu und bin nicht allein. Im Grunde ist damit der zentrale Inhalt des Gottesglaubens ausgedrückt, nämlich gratis zu leben, geliebt und bejaht unter den wohlmeinenden Augen des Schöpfers.

Als Erwachsene legt sich dann nicht selten ein Schleier über dieses ursprüngliche Bewusstsein gemocht zu sein und dazu zu gehören. Wir Erwachsene nehmen uns irgendwann furchtbar wichtig, der Anspruch selbst unseres Glückes Schmied zu sein, macht uns verkrampft, bitter und ernst. Die Lebenslust verkalkt in unseren Adern und unsere Seele verliert ihre Flügel. Wer sich nicht (mehr) geliebt weiß, der muss sich seine Liebe, seine Anerkennung, und  seine Daseinsberechtigung erkämpfen. Er beginnt sich zu schützen: sein Ego, seine Klasse, seine Position, seine Macht, seinen Besitz, seine Rasse, seine Nation….. Viele in großen Firmen müssen sich ständig beweisen und präsentieren. Jede und jeder muss zeigen, dass er besser ist als der andere .Wir leben heute in einer Kultur der Macht, der Stärke, der Egos und des individuellen Erfolgs.

In einer solchen Welt der Stärke, Macht und der Konkurrenz finden behinderte Menschen oft keine Heimat mehr, weil sie in einem solchen System für niemanden wertvoll scheinen. Henri Nouwen, der eine Karriere als Hochschulprofessor aufgab, und sich der von Jean Vanier gegründeten „Arche“- Bewegung gemeinsamen Lebens mit geistig behinderten Menschen angeschlossen hat, schreibt:

„In meiner eigenen Gemeinschaft, in der wir mit vielen stark behinderten Männern und Frauen zusammenleben, stammt das größte Leiden, nicht aus dem Behindertsein selbst, sondern aus den Gefühlen, nutzlos, wertlos, geringgeachtet und ungeliebt zu sein. Man kann es viel leichter ertragen, nicht reden, gehen oder selbstständig essen zu können, als nicht für jemanden ganz besonders wertvoll zu sein.“ (Henry Nouwen, Du bist der geliebte Mensch, Religiös leben in einer säkularen Welt, Freiburg im Br. 1993, Neuausgabe 2006, S. 76)

Dort, wo die spontane Grunderfahrung, gratis geliebt und bejaht zu sein, abhanden gekommen ist, treibt die damit einhergehende existentielle und spirituelle Verunsicherung dazu an, sich diese Liebe verdienen zu müssen. Dadurch machen sich viele abhängig von der Anerkennung durch andere, und werden auf diese Weise immer unfreier.

Jean Vanier, der Gründer der weltweit verbreiteten Archegemeinschaften, hat in seiner eigenen Biografie, die von Pflichten als Marineoffizier und als Hochschullehrer der Philosophie geprägt war, erlebt wie geistig behinderte Menschen, mit denen er eine Wohngemeinschaft bildete , ihm halfen zurück zu finden zu einem spielerischen Umgang mit dem Leben; zu einem ursprünglichen Erleben des Geliebtseins und des bedingungslosen Vertrauens. Die Kraft der Liebe und Zärtlichkeit, die von behinderten Menschen ausgehen kann, meint Vanier, könnte allen helfen (die in einem System der Macht und Konkurrenz sich bewegen) in eine heilsame „Bewegung nach unten“ zu kommen. Dort, wo ich einen anderen Menschen in der Tiefe seines Seins antreffe, wo ich nichts mehr beweisen muss und mir nicht mehr besser vorkomme als der andere, geschieht eine Befreiung vom  Ego. In der Tiefe unseres Seins werden wir alle gleich. „Keiner über dem anderen, keiner unter dem anderen“, geliebt wie wir sind als Kinder Gottes und zwar bedingungslos.

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(Titel:  „Kinderspiel“, Acryl  auf Leinwand, 60×60, von Gustav Schädlich-Buter)

Es gilt für uns alle, – die von alltäglicher Berechnung und Verzweckung des Lebens von uns selbst entfremdet wurden, die sich um der Gewinnsteigerung zu Tode arbeiten, die in der Enge des Hamsterrades strampeln….- , das absichtslos spielenden Kind wieder zu entdecken und lebendig werden zu lassen.

Die  göttliche Weisheit, -Begleiterin in Gottes dauerndem Schöpfungsspiel-,  erzählt von sich selbst in einem  frühjüdischen Glaubensgedicht  :

„…als er (der Schöpfer) die Fundamente der Erde abmaß, da war ich als geliebtes Kind bei ihm./ Ich war seine Freude Tag für Tag/ und spielte vor ihm allezeit. Ich spielte auf seinem Erdenrund/ und meine Freude war es, bei den Menschen zu sein.“(vgl. Buch der Sprichwörter 8, 30-31).

Übung:

Setzen Sie sich ruhig und bequem hin an einem Ort, wo sie sich wohlfühlen;  jetzt müssen Sie nichts leisten, nichts wegarbeiten, nichts beweisen.

Stellen Sie sich vor, dass „jemand“ Sie mit wohlwollenden, liebevollen und gütigen Augen anschaut, auf ihren Körper, auf ihre Geschichte, auf die Wunden und Brüche ihres Lebens,  auf ihr ganzes Sein.

Die Übung kann in zweifacher Weise wiederholt werden: von vorne angeschaut werden; von hinten angeschaut werden (der Rücken: was er alles getragen und geschleppt hat, der womöglich gedrängt und gestoßen wurde…, der gekrümmt wurde durch die Macht anderer über mich…)

oder:

Nehmen Sie Farbe und Pinsel zur Hand und drücken Sie aus, was Sie im Moment bewegt! (kein Leistungsdruck; es muss kein Kunstwerk werden)

Literatur zur Vertiefung:

  1. Nouwen, Du bist der geliebte Mensch, Religiös leben in einer säkularen Welt, Freiburg im Br. 1993, Neuausgabe 2006

Henry Nouwen, Adam und ich, eine ungewöhnliche Freundschaft, Freiburg im Breisgau 1998

Jean Vanier, Einfach Mensch sein. Wege zu erfülltem Leben Taschenbuch , 2001, übersetzt von Bernardin Schellenberger, 2001

Bernardin Schellenberger, Einübung ins Spielen, Münsterschwarzach 1980

Trauer

„Selig die Trauernden“ (Matthäus Kapitel 5,4 )

Die ganze biblische Tradition, weiß vom Wert und der Würde des Trauerns. Jesus, Hiob oder die jüdischen Profeten haben uns durch ihr Leben gezeigt,  dass Leid und Trauer einen wesentlichen  Teil der Wirklichkeit ausmachen. Nicht nur die Bibel, auch die ganze christliche Mystik weisen darauf hin, dass die „Dunkelheiten  des Lebens“ für uns oftmals bessere Lehrer sein können  als jede Theologie, die uns schnelle Antworten serviert, und dabei die Leidenden und Trauernden nicht selten verletzt.

(„Trauerfall“, Mischtechnik von Gustav Schädlich-Buter)

Keine Erfahrung in Trauerarbeit

In unserer „macherischen “Zeit sind  die wenigsten erfahren und trainiert in Trauerarbeit. Trauern und Weinen gilt besonders bei Männern als Schwäche. Wer trauert, befindet sich in einem eigenen Raum,- in einem Schwellenraum-, in dem die Muster bisheriger Lebensbewältigung nicht mehr funktionieren, die alten Ich- und Bewusstseinsstrukturen sind aufgeweicht  und durchlässig hin auf eine Tiefe, in der tiefste Dunkelheit und hellstes Licht gleichermaßen den Trauernden berühren können.

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(Trauriger Engel , Acryl auf Leinwand, 60x80cm,  von Gustav Schädlich-Buter)

Trauer als Betriebsstörung

Trauer fühlt sich für das Ego, das funktionieren will, wie eine Betriebsstörung an. Wer aber Trauer nicht zulässt und sich von ihr verwandeln und heilen lässt, wird hart, zynisch und womöglich gewalttätig gegen sich und andere.

Trauer heilt den Schmerz in der Seele

Jesus ermuntert uns in der Bergpredigt, sich dem Schmerz in der eigenen Seele und dem Schmerz dieser Welt zu stellen und aktiv in ihn hineinzugehen. „Selig die Trauernden, denn sie werden getröstet werden“ – Trauer heilt den Schmerz in der Seele und hilft uns beim Loslassen, damit wir weitergehen können. Mancher Trauerprozess dauert sehr lange und es tut sehr weh, weil mir das Leben einen tiefen Verlust zugefügt hat.

Der Franziskaner Richard Rohr spricht davon, dass die Flutwelle des Verlustes gefühlt und erlitten werden will; solange das nicht geschieht, verstehen wir weder unsere innere noch die spirituelle Welt. Unser Schmerz, unsere Traurigkeit, die Tragödien unseres Lebens könnten uns ein Menge lehren, auch wenn wir niemals ganz sicher sind, was es genau ist und wir oft viel lieber davonlaufen und nicht fühlen würden.

Aber es scheint ganz evident: Menschen, die durch Schmerz, Leid und Trauer gegangen sind, sind weiter, tiefer, offener und barmherziger. Wer sich auf einen Trauerprozess einlässt, kann auch Erlösung erfahren.

Impulsfragen:

Was habe ich im Leben verloren und noch  ungenügend betrauert?

Was habe ich verloren und noch nicht losgelassen?

Was muss ich loslassen, damit ich meine „Reise“ fortsetzen kann?

DU-wider die Verschmelzungsmystik

„Wo ich gehe – du!
Wo ich stehe – du!
Nur du, wieder du, immer du!
Du, du, du!
Ergeht’s mir gut – du!
Wenn’s weh mir tut – du!
Nur du, wieder du, immer du!
Du, du, du!
Himmel – du, Erde – du,
Oben – du, unten – du,
Wohin ich mich wende, an jedem Ende
Nur du, wieder du, immer du!
Du, du, du!“

Martin Buber, jüdischer Philosoph

„“s´io m`intuassi, come tu t`immii“ ( Paradiso IX, 81, in:  Dante, Die  Göttliche Komödie)

deutsche Übersetzung von Bernardin Schellenberger: Wenn ich doch dir einge-du-t wäre, wie du dich mir einge-ich-t hast“(in: B. Schellenberger, Auf den Wegen der Sehnsucht; zum spirituellen Leben heute Freiburg im Breisgau 2004, S.78)

Bernardin Schellenberger, geistlicher Schriftsteller und früherer Trappistenmönch,  weist in seinem Buch „Auf den Wegen der Sehnsucht“ auf die Gefahren der heute weit verbreitete Einheitsmystik  hin.

Die dort gängige These, dass Ich selbst letztlich Gott bin, dass mein Wesen göttlich ist und ich es nur endlich erkennen muss, gefällt sicher dem „Narziss“ in uns, dessen Innenleben Ovids Metamorphosen wie folgt kennzeichnen: „Lieber den Tod, als…mich schenken, begehr ich.“.(vgl. dazu  Bernardin Schellenberger, Auf den Wegen der Sehnsucht; zum spirituellen Leben heute,  Seite 26f. , Freiburg im Breisgau 2004; ihm verdanke ich die zentralen hier beschriebenen  Einsichten und die Anregung auf die narzisstischen Grundströmungen in der neuen Spiritualität zu achten).

Wer sich selbst als Gott entdecken kann, der muss sich nicht mehr in die Beziehung wagen, nicht mehr „hören“ auf andere, sich nicht mehr einlassen, nicht vergeben und sich nichts vergeben lassen , schon gar nicht sich verschenken.

Beziehung (zum anderen, zu Gott) macht ja auch Angst, kostet Kampf, belässt manchmal im Unsicheren, ist schwierig und nie am Ende. Zudem lässt Beziehung spüren, dass wir voneinander abhängen und nie vollständig autark sein können. So scheint klar, dass „Narziss“ lieber im eigenen Grund sucht und sich als Gott finden will als sich “hinaus“ (ekstasis) zu wagen. Dabei scheint ihm die Gefahr nicht klar, in die er sich begibt: nämlich in seiner verschmelzenden Suche nach Gott im eigenen Seelengrund, endgültig bei sich selbst zu versumpfen und dabei doch nicht die ersehnte  Ruhe zu finden.

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(Bild: Über mich hinausschauen“, Acryl auf Leinwand, 60×60 von Gustav Schädlich-Buter)

Auch der Benediktiner Anelm  Grün benennt konkrete zwischenmenschliche Folgen einer solchen Einheitsmystik, die keine Grenzen mehr akzeptiert: „Die Grenze zwischen Gott und Mensch ist gerade die Voraussetzung für eine wirkliche Beziehung zwischen Gott und Mensch. Es ist eine Beziehung der Liebe, eine personale Beziehung.“ (Grün, Robben, Grenzen setzen-Grenzen achten damit Beziehungen gelingen Spirituelle Impulse, 2007, S. 151 f.)… „Ich habe oft genug erlebt, wie Menschen, die von der großen Einheit sprachen, kein Gespür für die Grenzen der Menschen um sich herum hatten. Wenn diese anderen bei diesem Einheitsgefühl nicht mitgemacht haben, wurden sie gnadenlos fallengelassen. Und der, der verletzt hatte, fühlte sich schuldlos.“ (a.a.O., S.154)

Im  Bezogen-sein auf den „Ganz-Anderen“, der zugleich der unfassbar Liebende ist, gilt es in der christlichen Spiritualität die dem Narziss entgegen gesetzte Haltung zu erlernen: „Dir mich schenken, begehr ich!“ So verlangt das christliche Alternativmodell das Entgegengesetzte zur narzisstischen Selbstgenügsamkeit: nämlich mit offenen Augen, Ohren und allen Sinnen in die Begegnung zu gehen, sich auf ein Gespräch mit dem Anderen und sogar Fremden einzulassen und seinen Nächsten zu lieben, „nicht weil er ich ist, sondern gerade deswegen, weil er nicht ich ist.“ (K.Chesterton; zitiert in: B. Schellenberger, a.a.O., S 78).

Bernardin Schellenberger empfiehlt daher für den spirituellen Weg, sich den Stress anspruchsvoller Beziehung zuzumuten, gerade weil sie die selbstgenügsame Autonomie des Individuums immer wieder ankratzt, beunruhigt,   in einem positiven Sinn verunsichert und in Spannung bringt. (B. Schellenberger, a.a.O., S.75f. ) In der jüdisch-christlichen Überlieferung wird der überragende Stellenwert  der Beziehung, die Leben, Bedeutung, Würde  und Wert schafft auf Gott selbst übertragen: Gott ist Beziehung. „Eine lebendige Wirklichkeit, die den Kosmos und uns Menschen am Leben hält und trägt, weil ihr das alles etwas bedeutet;“ (a.a.O., S. 96)

Literatur zur Vertiefung:

Schellenberger, Bernardin Auf den Wegen der Sehnsucht; zum spirituellen Leben heute,   Freiburg im Breisgau 2004;

Grün, Anselm, Robben, Maria, Grenzen setzen-Grenzen achten damit Beziehungen gelingen Spirituelle Impulse,  2007

Identität in Gott

Identität in Gott- was bedeutet das?

„Keine Angst vor nichts und niemand“, würde der Liedermacher Konstantin Wecker vielleicht sagen. In sich selbst ruhen mit der Gewissheit von den liebenden Augen Gottes angeschaut zu werden, göttliches Ansehen zu bekommen, und dabei eine unverlierbare Würde und einen Wert in sich zu spüren, der geschenkt ist und nicht erst verdient werden muss.

Ganz ehrlich, so getragene und in sich gesicherte Menschen finden wir nicht häufig  in einer  Welt,  deren Strukturen vielfach von Leistung und materieller Effizienz bestimmt sind.

Wer in Gott ruht, hat die Angst verloren, der muss sich keinen fremden Mächten mehr beugen und ist aus dieser Kraft heraus ermächtigt,  anders zu leben als es die weltlichen Kategorien vorschreiben nach dem Motto: Ich bin, was ich leiste, habe und vorgebe zu sein….

Identität in Gott heißt alles losgelassen haben, was weniger ist als Seine Liebe („Mit ewiger Liebe habe ich Dich geliebt“,  Jeremia), als Seine Heilung und Seine Auferweckung.

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Es scheint einzig seine dauerhafte, unerschütterliche und verlässlich bleibende Liebe zu sein, die Menschen, mich und dich, aus den destruktiven Mustern unserer Lebensgestaltung löst;  erlöst von den Süchten , befreit vom Zwang der Masken und des schönen Scheins.

Menschen werden heil, wenn sie wieder lernen an diese befreiende und angstlösende Liebe zu glauben, die Gott versprochen hat, der sich selbst als der „Ich-bin –da“- Gott (genauer im Hebräischen: Ich werde da sein als der ich da sein werde) kenntlich macht. Jesus hat bei Gott seine Heimat gefunden und gehabt, er hat Wohnungen für uns alle vorbereitet und hofft, dass wir nach Hause finden.

Allerdings ist diese Liebe in gewisser Weise machtlos gegenüber dem verstockten Herz, der Seele, die sich abschließt und nicht gefunden werden will. Wer sein Leben eingerichtet hat in einer „beruhigten Endlichkeit“, den wird kein Anruf erreichen. Wer nicht mit Seiner Anrede rechnet, der wird seinen inneren Empfänger nicht auf die Frequenz einstellen, durch welche ihn der Sender erreichen will und kann. Gottes Ruf und Anruf wird nicht empfangen, weil der, den jener erreichen will, auf einem anderen Kanal hört.

Die Identität in Gott ist kein statischer, endgültig abgeschlossener Zustand, sondern dieses Hin und Her, diese Zwiesprache , die wir auch Beten nennen, dieser nicht mehr endende liebende Beziehungsaustausch, der immer neue Formen des Zu- und Miteinanders entwirft, ein Tanz der Personen (Perichorese).

Mut

Mut

Gehören Sie zu den mutigen Menschen?

Viele bewundern den Mut von Menschen, die auf einem Seil über einen Abgrund balancieren oder die an einer steilen Felswand oder Hochhausfassade ohne Sicherung klettern, oder Abenteurer, die mit einem kleinen Segelschiff ganz allein den Ozean durchqueren.

Ohne Zweifel braucht unsere Welt mutige Menschen. Vielleicht weniger von denen, die ihr Leben nur um der Aufmerksamkeit willen für sich selbst auf`s Spiel setzen, sondern Menschen, die sich gegen Widerstände für Frieden, Freiheit und humane Werte mutig einsetzen trotz ihrer Angst.

Menschen, die ihre Angst überwinden und Neues wagen, die aus der Menge heraustreten und ungerechte und unmenschliche Strukturen publik machen, die festgefahrene Traditionen aufbrechen. Nicht selten riskieren sie dabei sehr viel: ihre Gesundheit, ihr Leben, ihren Ruf, ihr Auskommen; sie sind oft vielfachen Anfeindungen ausgesetzt und müssen mit Spott , Gefängnis oder Entzug von Freundschaft rechnen.

Man denke nur an Georg Elsner, Sophie und Hans Scholl, die Mitglieder der weißen Rose,  Nelson Mandela, Mahatma Gandhi, Rosa Parks, Martin Luther King , Wangari Maathai, Dom Helder Camara,  Bischof Kräutler und viele andere. Und natürlich kann man sich auch fragen, warum es zwischen 1933 und 1945 zuwenig mutige Deutsche gab.

(Titel:  Mutiges Herz, Mischtechnik von G. Schädlich-Buter)

Aber was bedeutet Mut für unseren Alltag?

Ich möchte ein paar Beispiele geben, die anregen können über den eigenen Lebensmut nachzudenken.

Es braucht Mut, einem anderen Menschen ganz und gar zu vertrauen.

Mutig ist der, der zu seiner Überzeugung steht, obwohl alle gegen ihn sind und er Nachteile in Kauf nehmen muss.

Mut ist nötig, sich für „Außenseiter“ einzusetzen und deren Würde zu verteidigen.

Mut bedeutet, mit einem Kollegen/-in oder Partner/-in darüber zu sprechen, was mich an dessen Verhalten oder Reden verletzt und gekränkt hat.

Mutig muss man sein, einen Menschen anzurufen oder zu besuchen, der schwer erkrankt ist und es braucht Mut, sich einem anderen in seiner Schwäche zu zeigen.

Mut ist verlangt jemanden danach zu fragen, worunter er leidet und mutig ist es, einem anderen zu sagen, was die eigene Wunde ist.

Es braucht Mut mit einer Behinderung zu leben und sich eine größtmögliche Autonomie zu erkämpfen.

Mut kann auch heißen, die Trauer in der eigenen Seele zu fühlen und ebenso mutig ist der, welcher sich der Trauer eines anderen Menschen stellt und sie begleitet.

Es braucht Mut, seine Gewohnheiten und Sicherheiten zu verlassen, um „Neuland“ zu betreten. (vgl. die Abrahamsgeschichte im Alten Testament)

Und es braucht Mut, an einen Gott zu glauben, den noch nie jemand gesehen hat und darauf sein Leben zu gründen.

Mut ist im Herzen der Motor, der etwas bewegen und verändern will. Mutig ist nicht jemand, der keine Angst hat, sondern der Wege für sich gefunden hat, seine Angst zu überwinden.

Impuls zum Nachdenken:

Schreibe ins Tagebuch/oder erzähl Dir im Selbstgespräch oder einem Freund/-in zum Thema: „Da war ich einmal richtig mutig..“

Kenne ich mutige Vorbilder für mein Leben? (siehe auch oben)

Welche Mutmachgeschichten in der Literatur sind mir bekannt?

Literatur zu Vertiefung:

Christian Nürnberger, Mutige Menschen. Für Frieden, Freiheit und Menschenrechte

Georg Schwickert, Courage, Mut für ein freies Leben

Jacques Lusseyran (Autor), Das wiedergefundene Licht: Die Lebensgeschichte eines Blinden im französischen Widerstand Taschenbuch – 2002

Segen- “ Du bist der geliebte Mensch“

„Du bist der geliebte Mensch“ lautet der Titel eines Buches von Henri Nouwen, in dem er versucht, einem Freund, der gänzlich in einer säkularen Welt lebt, etwas von seinem Glauben zu vermitteln. (vgl. H. Nouwen, Du bist der geliebte Mensch, Religiös leben in einer säkularen Welt, Freiburg im Br. 1993, Neuausgabe 2006)

Der geistliche Schriftsteller Henri Nouwen beschreibt als Ziel jeder geistlichen Reise, die Wahrheit und Wirklichkeit, von Gott zutiefst und bedingungslos geliebt zu sein („Du bist der geliebte Mensch“), voll und ganz für sich zu erfassen. Solange bleibt das suchende Herz letztlich unruhig bis diese Liebe, für welche jede menschliche Liebe ein Vorgeschmack sein kann, es ganz zu ergreifen vermag. Auf dieser Reise müssen wir das, was wir letztlich schon sind, nämlich Gottes geliebte Kinder, zugleich noch werden.

Henri Nouwen, der eine Karriere als Hochschulprofessor aufgab und sich der von Jean Vanier gegründeten „Arche“- Bewegung gemeinsamen Lebens mit behinderten Menschen angeschlossen hat, benennt für diese Reise in die volle Wirklichkeit von Gott geliebt zu sein, vier „Stationen“ und zu erfassende Wahrheiten (entsprechend des eucharistischen Vollzugs: das Brot zu nehmen, zu segnen, zu brechen und herzugeben):

Angenommen und auserwählt

Die erste Wahrheit besteht darin, sich bewusst zu machen, dass ich bereits „genommen“ und „auserwählt“ bin. Das bedeutet nicht, besser und großartiger als andere zu sein, sondern jemand hat an mir etwas Besonderes gesehen und mich in meiner Einmaligkeit wahrgenommen; jede und jeder ist bereits als geliebter Sohn oder Tochter ausgewählt; schon von Ewigkeit her wurde ich von Gott her als kostbar angeschaut und als ewig wertvoll erkannt. Wir erhalten unsere Kostbarkeit und Einmaligkeit von jenem, der uns in immerwährender Liebe auserwählt hat, der sein Antlitz über uns erhebt und uns voll Liebe anschaut. Ich bin einmalig, kostbar und geliebt. Dies ist die eigentliche Wahrheit über mein Leben und diese Wahrheit will im Laufe der Reise stärker werden als alle jene Aussagen über mich, die verletztend, beleidigend und erniedrigend sein mögen.

Gesegnet

Die zweite Wahrheit die wir uns auf dieser Reise aneignen sollen, heißt: Wir sind „gesegnet“ und „Gesegnete“. Als verunsicherte und verängstigte Menschenwesen bedürfen wir eines Segens. Das lateinische Wort für segnen „benedicere“ heißt wörtlich: über jemand etwas Gutes sagen. Wir alle brauchen es, dass jemand etwas Gutes über uns sagt. Aber der Segen geht noch über Anerkennung und Lob hinaus. Der Segen ist eine Erinnerung an  die ursprüngliche Gutheit des Anderen. Einen anderen segnen heißt ihm Gottes Liebe zusprechen und daran zu erinnern: du bist ein besonderer Mensch, den Gott ganz lieb hat. Alle individuellen Segenswünsche (Worte der Dankbarkeit, Ermutigung und Zuneigung) sind ein Widerhall des Segens, der von aller Ewigkeit an auf uns Menschen ruht.

Gerade schwer behinderte Menschen können reichen Segen verschenken. „Einer aus meiner Kommunität, Adam, kann nicht sprechen, kann nicht allein gehen, kann nicht ohne Hilfe essen, kann sich nicht selbstaus- oder anziehen, aber an Menschen, die sich die Zeit nehmen, ihn einfach zu halten oder bei ihm zu sitzen, hat er sehr viel Segen zu verschenken….Diese Art Beschenkt-werden erfließt aus dem einfachen Gegenwärtigsein….“ (H. Nouwen, Du bist der geliebte Mensch, S.69)

Der Segen erinnert uns im Laufe unserer Reise, dass wir geliebt sind und einem liebenden Gott zugehören. Diese Segensworte sagen die Wahrheit, auch wenn jene infragegestellt wird durch die lauten Flüche, Beschimpfungen und rücksichtslosen Erniedrigungen, die über uns ergehen und Finsternis, Zerstörung und Tod produzieren wollen.

„Gebrochen“

Die dritte Wahrheit, die wir nicht verdrängen sollten, lautet: wir sind „ ge-brochen“. Jede und jeder von uns erfährt Gebrochenheit und dies in ganz individueller Weise: Einsamkeit, Isolation, Ängste, Unsicherheiten, Trennungen, Scheitern, Niedergeschlagenheit, Schmerzen und Tod als radikalster Beweis, dass unser Leben gebrochen ist.

(Kreuz unter Segen gestellt,  Acryl auf Leinwand, von Gustav Schädlich-Buter)

Die Art und Weise wie ich gebrochen bin und meine Gebrochenheit erfahre, offenbart etwas ganz Wesentliches und Charakteristisches über mich; mein ganz persönliches Gebrochen-sein rührt an meinen Personkern , sagt etwas über meine Einmaligkeit und mein nicht vergleichbares Leiden daran. Nouwen meint, wir seien in unserer Gebrochenheit so einmalig wie in unserem Auserwähltsein (Nouwen, a.a.O., S. 75) und unsere Wunden, machten die Substanz unseres Lebens aus.

In meiner eigenen Gemeinschaft, in der wir mit vielen stark behinderten Männern und Frauen zusammenleben, stammt das größte Leiden, nicht aus dem Behindert- sein selbst, sondern aus den Gefühlen, nutzlos, wertlos, geringgeachtet und ungeliebt zu sein. Man kann es viel leichter ertragen, nicht reden, gehen oder selbstständig essen zu können, als nicht für jemanden ganz besonders wertvoll zu sein.“ (Nouwen, a.a.O., S. 76)

Nouwen schlägt zwei Weisen vor, um mit der eigenen Gebrochenheit umzugehen.

Die erste Weise besteht darin, sich mit ihr auszusöhnen und sich mit ihr anzufreunden. Dem mit der Gebrochenheit verbundenen Leiden und Schmerz darf ich nicht ausweichen. Um mich ihm zu stellen brauche ich jemanden, der mir hilft, ihn zu durchleben und standzuhalten. Durchlittenes und durchlebtes Leid kann so ein Weg zu innerem Frieden und zur Freude werden.

Als zweite Möglichkeit mit der eigenen Gebrochenheit umzugehen, schlägt Nouwen vor, jene unter den Segen zu stellen. „Die wesentliche geistliche Aufgabe der geliebten Kinder Gottes besteht darin , ihre Gebrochenheit aus dem Schatten des Fluches zu entfernen und sie ins Licht des Segens zu stellen……Wenn man körperlichen, seelischen oder gefühlsmäßigen Schmerz unter dem Segen lebt, erfährt man ihn grundverschieden anders, als wenn man diesen Schmerz unter dem Fluch trägt. Schon eine kleine Last, die jemand als Bestätigung seiner Wertlosigkeit empfindet, kann in tiefe Depressionen stürzen, ja in den Selbstmord treiben.

Dagegen werden selbst große und schwere Lasten leicht und tragbar, wenn man sie im Licht des Segens trägt. Was unerträglich schien, wird zur Herausforderung. Was ein Grund zur Depression schien, wird zur Quelle der Läuterung….So besteht also die entscheidende Aufgabe darin, dem Segen zu erlauben, uns in unserer Gebrochenheit anzurühren.“ (Nouwen, S, 84 f.) Gerade die durchlebten und durchlittenen Bruchstellen des eigenen Lebens, können zur Gabe für andere werden.

Sich verschenken

Die vierte Wahrheit heißt: hergeben. Nicht um unserer selbst willen, sind wir auserwählt, gesegnet und gebrochen, sondern all jenes findet darin eine Bedeutung, dass wir es für andere leben. Die größte Erfüllung des Lebens bestünde gerade darin, uns selbst an andere zu verschenken, etwas, ja noch mehr, sich selbst, herzugeben, denn unser Leben selbst sei das größte Geschenk, das wir zu vergeben hätten. Wichtiger beim Schenken als die je eigenen Talente seien die Gaben (Freundschaft, Geduld, Freude..), als Weisen wie wir unser Menschsein zum Ausdruck bringen.

„ Je älter ich werde, desto mehr entdecke ich, daß mein größtes Geschenk, das ich anzubieten habe, meine eigene Freude am Leben ist, mein eigener innerer Friede, mein eigenes Schweigen und meine Einsamkeit, mein eigenes Gefühl, mich wohl zu befinden.“ (Nouwen, a.a.O., S.98)

In einer Welt des gnadenlosen Wettbewerbs und rücksichtloser Habgier wird der Sinn für die Freude des Gebens immer mehr verloren. Ein glückliches Leben ist ein Leben für andere und hängt nicht vom Haben ab; eine Wahrheit, die einem meist erst angesichts eigener Gebrochenheit aufgeht.

Eine letzte Hingabe im Sterben

Das Sterben kann und soll das Mittel unseres letzten Hergebens unserer selbst werde. „Ich persönlich halte das Leben für eine Vorbereitung auf den Tod als endgültige Tat des Mich-Hergebens…. Das Sterben von Menschen, die wir lieben und die uns lieben, eröffnet uns die Möglichkeit einer neuen, radikaleren Kommunion, einer neuen Intimität, eines neuen Zusammengehörens. ..Erst wenn wir gestorben sind, kann sich unser Geist vollständig offenbaren. (Nouwen a.a.O., S.101)

In Gottes Händen bis zum Ende, Foto: Melchior Buter

Allerdings (denn es gibt auch Menschen, die qualvoll und voller Groll sterben und deren Geist von Finsternis nahezu ausgelöscht ist) müssen wir uns auf das Sterben und auf den Tod vorbereiten; wir seien dafür verantwortlich wie wir sterben und im Anliegen der Hingabe könnte auch unser Sterben zur freien Gabe für andere und zur „Ouelle neuer geistlicher Energie“ werden.

Literatur:

H. Nouwen, Du bist der geliebte Mensch, Religiös leben in einer säkularen Welt, Freiburg im Br. 1993, Neuausgabe 2006)

„Frieden suchen“

Hass und Gewalt durchzieht die Weltgeschichte

Die Sehnsucht nach Frieden, nach echtem Frieden, wurzelt tief, gerade bei jenen, die noch die zwei grauenhaften  Weltkriege miterlebt haben mit all dem Blutrausch, dem  sinnlose Morden und Dahinschlachten für das je eigene „Vaterland. „….. »Friede« tönt es /Wie aus Märchen, aus Kinderträumen her. /»Friede«. Und kaum zu freuen/Wagt sich das Herz, ihm sind näher die Tränen.“//dichtete einst Hermann Hesse (1877-1962)Der Wahnsinn von Gewalt und Gegengewalt, von Krieg und sinnloser Zerstörung  durchzieht unsere Weltgeschichte bis in die Gegenwart.

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(Kampfgetümmel „, Acryl auf Leinwand, 80×60, von Gustav Schädlich-Buter)

Die Wurzel der Gewalt im eigenen Herzen

Das Böse hat uns so leicht am Kragen und in irgendeiner Weise sind wir im Laufe des Lebens wohl alle irgendwie darin verwickelt. Die Gewalt in ihren vielfältigen Formen hat ihre Wurzeln oft genug im eigenen Herzen; dort finden wir Unruhe, Kälte, Abneigung, Abgetrenntheit und blinden Hass. Hass und Gewalt entsteht oft dort,wo wir uns nicht bedingungslos  geliebt und geschätzt fühlen und unseren Wert erst erleisten müssen, indem wir zum Beispiel andere ausstechen oder  besser sein wollen als der Kollege oder Nachbar. Frieden in der Seele entsteht dort, wo ich dieses bedingungslose Angenommensein erlebe  und in zwischenmenschlichen Begegnungen erfahren kann.

Frieden das heißt konkret: ein menschenfreundlicher Alltag, in welcher das Individuum  nicht zum Rädchen im Getriebe oder  zum „Kosten-Nutzen- Faktor“ wird, sondern als einmalige Person geschätzt wird. Frieden  heißt jemand haben, der es ehrlich mit uns meint, der zu uns hält und großzügig ist mit unseren Schwächen, aber uns auch die Wahrheit sagt.

Frieden suchen hängt stark an der Bereitschaft , sich zu versöhnen und auf Rache zu verzichten,  einen Zustand der Feindschaft und Erstarrung im Miteinander zu überwinden,  zum Gespräch bereit sein und nach einer Lösung des Konflikts suchen.  Das deutsche Wort für Versöhnung kommt von versuenen und bedeutet: zärtlich miteinander umgehen.  (vgl. dazu Anselm Grün).

Frieden suchen bedeutet sich von der Güte mehr inspirieren zu lassen als von der Bosheit. Dies  kann oft schon in kleinen Schritten geschehen: In Zeit online wurde erst darüber berichtet, dass Israelis und Iraner, deren Regierungen einander mit Krieg bedrohen,  sich über Facebook Friedensgrüße schicken. Israelis posteten: „Iraner, wir lieben euch, niemals werden wir euer Land bombadieren,“ steht über die Bilder geschrieben, die Freunde, Paare, Kinder, ganz normale Israelis zeigen. Die Initiative startete ein junger Mann im weißen Hemd, der seine Tochter auf dem Arm hielt. Er postet ein Liebesnachricht an die Iraner als alle von einem bevorstehenden Krieg redeten. Darin heißt es unter anderem: „Ich habe keine Angst vor euch, ich hasse euch nicht. Ich kenne euch ja nicht mal….Manchmal sehe ich hier im Fernsehen einen Mann aus dem Iran. Er redet über Krieg. Ich bin mir sicher, er repräsentiert nicht alle Iraner. Wenn ihr jemanden im Fernsehen seht, der darüber redet, euch zu bombadieren….seid euch sicher, er repräsentiert nicht uns alle….Wir wollen euch treffen, Kaffee mit euch trinken und mit euch über Sport reden.“ Inzwischen- so Zeit online-, kommen Grüße aus dem Iran zurück: „Israeli People, we love you too“, wir lieben euch auch.

Solch kleine  Gegenzeichen wollen dem geschürten  Hass, der angstmachenden Bedrohung und der gesäten Feindschaft nicht das letzte Wort überlassen. Dies sind die  die im Menschen aufgewachten Friedensträume von Weihnachten, von welchen  die Engel  im Evangelium singen. Lassen wir es aus unserer Seele nach Frieden tönen.

Impuls zum Nachdenken:

Was bedeutet für mich Friede?

Wo kann ich  mutmachenden Friedenszeichen in meinem  privaten Bereich setzen(z.B. beim Streit in der Familie oder mit einem Nachbarn, beim Konflikt im Arbeitsteam oder der Firma…..)

Wo kann ich mich für Frieden und Gerechtigkeit einsetzen?

Lebendig werden

In dem Dokumentarfilm „Nicht ohne uns“ von Sigrid Klausmann, in dem Kinder und Jugendliche unterschiedlicher Kontinente befragt werden, sagt der 11 jährige Enjo aus der Schweiz: „Ich habe nicht den blassesten Schimmer, wieso ich in die Welt hineingeboren wurde. “

Wenn das so bleibt, dann  finden wir  einige Jahre später, junge Erwachsene, die sich mangels Sinnfindungen mit Lärm, Alkohol oder Internet betäuben, Arbeitende, die phantasielos und ohne Schwung ihren Job herunterreißen, von einander angeödete und genervte Paare, die sich nichts mehr zu sagen haben, Resignierte und Abgestumpfte, die sich abgefunden haben mit den kleinen, harmlosen Wünschen und Annehmlichkeiten und denen es reicht, halt so dahin zu leben. Welch trauriges Gegenbild zu der im Frühling aufbrechenden Natur, zur Wurzel- Grünkraft der Bäume, zum Sprießen und Aufblühen der Gräser und Blumen.

Seelenbaum, Acryl auf Leinwand

Anpassung, Konvention und Wohlstandsdenken 

übernehmen nicht selten die Regie im Leben und rauben uns  die Visionen, für die es sich zu leben lohnt.  Leiden nicht viele an Übersättigung? Jemand verglich einmal die im  dauerhaften Wohlstand lebende Menschen mit Zierfischen, welche  im gefahrlosen, langweiligen Aquarium, -gefüttert und satt-, ihre langweiligen Runden schwimmen; nur ab und zu erinnern sie sich an die Tiefen und Abenteuer des großen Meeres, in dem sie einst schwammen, und machen dann kurze heftige Schwimmbewegungen.

Sicherheitsdenken und Bequemlichkeit

Im Aquarium des eigenen Lebens heißt es aber weiterhin: Sicherheit vor dem Risiko eines eigenen Lebens, das -weil ungesichert -auch schief gehen kann;  Bequemlichkeit und Egoismus  vor selbstlosem Einsatz (für Notleidende, Freunde, Nachbarn…), Besitzstandsdenken vor größerer Gerechtigkeit, Schein und Fassadenhaftigkeit vor Sein, Anpassung vor gelebter Überzeugung.

Tatsächlich, so scheint es mir, sind die Türen der Sehnsucht für viele zugeschlagen und die Antennen für das Göttliche und alles Transzendente von den Häusern abmontiert (80% der 18 bis 34 Jährigen können sich ein Leben ohne Gott vorstellen). Auch die Sprache für das Absolute ist verloren gegangen, die Kathedrale des „Heiligen“ vorallem in  der eigenen Seele bleibt unbewohnt; vielen  reicht Berieselung und leichte Kost, Kreuzworträtsel und Televisionen von Privatsendern. Das große, tiefe und gefährliche Meer ist in unerreichbare Ferne gerückt.

Was macht mich lebendig?

Doch wie lässt sich eine Vision für das eigene Leben finden,  wie die individuelle Berufung, die ja immer einem Ruf aus dem Innersten des eigenen Herzens antwortet.

Die biblische Schöpfungsgeschichte (vgl.  Genesis 2,7) besagt, wir werden lebendig, wenn uns Gott Leben und Atem  einhaucht, wenn er uns beatmet ( vgl. auch  Joel 3,1 f. im AT )im wahrsten Sinne des Wortes und wir neu aufatmen.

Howard Thurmann, amerikanischer Bürgerrechtsaktivist und Mentor von Dr. Martin Luther King jr. gibt folgende Empfehlung: „Frage nicht, was die Welt braucht,  frage dich selbst, was dich lebendig macht ….und tue das;  (denn) was die Welt braucht, das sind Leute, die lebendig geworden sind.“

Alles, was mich lebendig macht, belebt, inspiriert, ins Fließen bringt, könnte mich also zu meiner ur-eigenen Berufung führen.

(Tanz des Lebens, Acryl auf Leinwand, 80(hoch)x60(breit)cm von Gustav Schädlich-Buter)

Impuls zum Nachdenken:

Der Benediktiner David-Steindl-Rast hat dazu folgende grundlegende Fragen formuliert, die ich an Sie als Impuls weitergeben möchte:

Was würde ich wirklich gerne tun? Was bereitet mir eine tiefe und nachhaltige Freude?

Was kann ich gut? Wo bin ich gut? (worin drücke ich die Einzigartigkeit und Einmaligkeit meiner Person am besten aus? Was sind meine Talente und Begabungen?)

Welche Gelegenheit gibt mir das Leben gerade jetzt, um das zu tun, was mich mit Freude lebendig macht? Wozu lädt mich das Leben gerade jetzt ein? (um das herauszufinden, müssen wir aber anhalten und mit den Ohren des Herzens horchen und bereit sein, uns überraschen zu lassen)

Auf der Seite des Lammes

Büffel oder Lamm

In seinem Roman „Billiard  um halb zehn“ stellt  der Schriftsteller Heinrich Böll mit den Tiermetaphern „Büffel“  und „Lamm“ zwei Menschengruppen einander gegenüber, die sich durch bestimmte Haltungen und Einstellungen kennzeichnen lassen. Die „Büffel – das sind  die Machtmenschen, die während des Dritten Reiches NS-Anhänger waren und  bald wieder hohe Regierungsämter besetzen.  Sie stehen   für Dummheit und rohe Kraft, für die Masse der Mitläufer, für die, die sich selbstsüchtig und egoistisch verhalten , die nicht denken, dafür aber gnadenlos handeln und jene aus dem Weg räumen, die nicht ihre Meinung vertreten. Heinrich Böll nimmt Bezug auf die Nazizeit und das Naziregime, das durch die Büffel symbolisiert wird; und man könnte sich fragen, ob  Bölls Roman nicht gerade neue Aktualität gewinnt angesichts des in Europa und weltweit wachsenden Populismus und Nationalismus?

(„Büffelmenschen“, Mischtechnik von Gustav Schädlich-Buter)

Das „Lamm“ steht  für unschuldig Verfolgte , für durch Folter und Flucht gebrochene  Menschen, für  Wehrlose , für Gedemütigten, Ausgeschlossene  und Opfer.

Das Sakrament des Lammes 

Im Roman „Billiard  um halb zehn“ erfährt der Protagonist die Wendung seines Lebens als er sich auf das „Sakrament des Lammes“ verpflichtet und der stiernackigen Gewalt  des Naziregimes und der gedankenlosen Unterdrückung der Schwachen abschwört. Wer nämlich vom  „ Sakrament des Büffels“  kostet, gerät in seinen Bann.

Der „Büffel“ steht als  Symbol – so ließe sich Böll weiter interpretieren–  für den machtorientierten  und hasserfüllten Umgang der Menschen untereinander und mit der Schöpfung; er  steht  für all die Folterer und Mörder, für die Gier und Maßlosigkeit, welche die Lebensgrundlagen aller vernichtet, für  Aus- und Abgrenzung von Menschen, die anders sind. „Die Liebe wird nicht geliebt…Macht und Gewalt werden geliebt“ (Anton Rotzetter)

Jesus- das Lamm Gottes 

Heinrich Böll spricht vom „Sakrament des Lammes“ , ein religiöser Begriff, der auf eine religiöse Sphäre verweist.  Schon im Neuen Testament wird Jesus als das „Lamm Gottes“ (vgl.  Johannes 1, 29-37) bezeichnet, was für die frühe Kirche eine enorme  Bedeutung hatte.  Ein Bild, das für uns Heutige aber kaum mehr Aussagekraft besitzt. Die Gefolgschaft zu Jesus ließ sich über das Symbol des Lammes definieren, und stand für eine Liebe, die stärker ist als Hass und Rache , für eine Kraft, die den Kreislauf von Gewalt und Gegengewalt durchbrechen kann.

Symbol der Gewaltlosigkeit

Das Lamm – dieses  uraltes Symbol der Gewaltlosigkeit (was sich leider über die Kirchengeschichte hinweg nicht durchgehalten hat),  Symbol des Leidens und des Tragens von Unrecht  für den anderen („Sündenbock“), gab den verfolgten  Christen eine tiefen Halt. Jesus als das Lamm Gottes zeigte die göttliche Empathie mit den Opfern, den Ausgegrenzten, den unschuldig Leidenden , den Verlierern der Gesellschaft und der Geschichte.

Als ich neulich im Internet recherchierte, stieß ich auf ein Foto  des  Kapuziners  Anton Rotzetter, der sich  von der Spiritualität des Franziskus von Assisi geprägt, aktiv für den Tierschutz aus christlicher Sicht einsetzte. Auf diesem Foto sieht man wie jener liebevoll ein Zicklein in den Armen hält, das sich an ihn schmiegt.

https://www.ref.ch/wp-content/uploads/2016/03/Rotzetter.jpg.

Sich auf die Seite des Lammes stellen

Wer dieses Bild länger betrachtet, kann in eine Welt eintauchen, die immer weniger in unserem Alltag vorzukommen scheint. Dieses Bild berührte mich, weil ich in ihm etwas wiederfand von der liebevollen und zärtlichen Haltung all jener, die ihr Leben ganz auf die Seite des Lammes gestellt haben. Wer sich auf der Seite des Lammes positioniert, wird  vom Leiden der machtlosen Kreatur ebenso berührt sein wie von all jenen, die an den Rand der Gesellschaft gedrängt, ausgeschlossen und abgelehnt werden.

Dabei lässt sich, um nur ein Beispiel zu nennen, an Menschen mit geistigen  Behinderungen denken, die in vielen Ländern dieser Welt  immer noch (trotz UN -Behindertenrechtskonvention) als „nicht voll menschlich“ eingestuft und diskriminiert werden. Wer auf deren Seite tritt, auf die Seite des „Lammes“,  wird für sein Engagement nicht selten reichlich  beschenkt.  So heißt es in  der Charta von „foi et lumiere “, eine ökumenischen Gemeinschaft von behinderten Menschen und  ihren Freunden, die  von Jean Vanier, dem Gründer der  Arche Gemeinschaften  und Marie Helene Mathieu ins Leben gerufen wurde:

„Auch die Freunde verstehen dank des Menschen mit einer  geistigen Behinderung, dass es noch eine andere Welt als die des Wettbewerbs, des Geldes und der materiellen Vergnügungen gibt; der schwache und hilfsbedürftige Mensch erweckt in seiner Umgebung eine Welt der Zärtlichkeit und Treue, der Zuwendung und des Glaubens.“

Literaturempfehlung zur Vertiefung:

Heinrich Böll, Billiard um halb zehn

Jean Vanier, Wege zu erfülltem Leben, Einfach Mensch sein, Stuttgart 2001

Selbstwerdung

„Der, der ich bin, grüßt traurig den, der ich sein könnte“, dieser Satz aus einem Gedicht von Friedrich Hebbel kommt uns zuweilen auch in den Sinn, wenn wir in den Spiegel schauen und dabei unser Blick hinunter in die Tiefe der Seele  rutscht:  Unerfüllte Träume, Vorhaben, die nicht gelungen sind, gescheiterte Beziehungen, Verletzungen, die wir anderen zugefügt haben, Situationen, wo wir uns verraten haben…..  Und manchmal geht es uns dann wie Adam in der Schöpfungsgeschichte (vgl.  Genesis 3, 9), der sich angesichts der  Fehler und Fehlschläge seines Lebens armselig und nackt vorkommt,  sich schämt und versteckt. Und trotzdem findet ihn die Frage: „Adam, wo bist du?“

Die Frage ist nicht örtlich gemeint  und es handelt sich um keine Geschichte aus  ferner Vergangenheit, sondern um eine direkte Frage an uns jetzt:

Wo sind meine Wurzeln? Wo stehe ich jetzt? Wo und wer bin ich? Was ist aus mir und meinem Leben geworden? Was habe ich aus und mit meinem Leben gemacht?  Wohin geht mein Leben noch?

(Titel: „Auf werde Licht“ , Acryl auf Leinwand, 1x1Meter,  von Gustav Schädlich-Buter)

Letztlich helfen weder in der Geschichte  des Buches Genesis, die  im Alten Testament aufgeschrieben ist, noch im richtigen Leben, Ausflüchte und Ausredemanöver (wie Eva sei an der Misere Schuld oder die Schlange oder die Eltern…. ) Ich  komme nur weiter, wenn ich  ehrlich mit mir selbst bin. Es geht um eine Bestandsaufnahme meines Lebens ohne Schönfärberei. Und darum für dieses, mein eigenes Leben Verantwortung zu übernehmen.

Dabei darf ich  durchaus barmherzig mit mir selbst sein, wenn ich auf mein  Geworden-sein samt aller Fehler und Brüche schaue;  auch dann, wenn ich im nachhinein manches mir womöglich  anders gewünscht hätte.

Auch der anfangs zitierte Spruch  von Friedrich Hebbel lässt  eine optimistischere Deutung zu, die in die Zukunft weist. In unserem Leben steckt ein Hoffnungspotential und ein Ziel; denn der, der ich werden und sein kann, bin immer „ich selbst“, so wie ich von Gott her gemeint bin. Es geht also darum,  immer mehr sein wahres Ich zu finden .

Wir alle wissen, dass „ich selbst werden“ nicht einfach ist,  zumal wir vielfach fremd bestimmt werden: vom eigenen Selbstbild (gleich, ob positiv oder negativ),  von den Vorurteilen anderer über uns, von  den Rollenzuschreibungen und  der Macht anderer über uns oder den eigenen überzogenen Erwartungen.

Am Ende des  Lebens, wird wohl keiner von uns gefragt  werden: warum bist du nicht Ministerpräsidentin, Chef einer großen Firma  oder Pablo Picasso geworden, sondern warum bist du nicht Hans, Mirjam  oder Agnes  geworden. Es geht um die Gestaltung  meiner eigenen Identität. Dazu  muss ich aber heraus finden, wer ich  selbst bin , wofür ich auf die Welt gekommen bin,  ohne dabei  meine tiefste Identität mit den Bilder zu  verwechseln, die andere oder ich  selbst von mir gemacht haben.

Für den  Dichtermönch Thomas Merton fällt Selbstsein und Heiligsein zusammen: „ Für mich besteht die Heiligkeit darin, dass ich ich selbst bin, und für dich, dass du du selbst bist…Für mich bedeutet heilig sein: ich selbst sein. Deshalb ist das Problem der Heiligkeit tatsächlich die Aufgabe, mein wahres Ich zu entdecken.“ (Tom Merton, Verheißungen der Stille, 1957, 24)

Ein Mensch wird dort  ganz heil, wo er ganz er selbst werden kann.  Im ganzen Leben geht es daher aus spiritueller Sicht darum, immer mehr ich selbst zu werden, das zu werden und konkret zu verwirklichen,  was keimhaft in mir angelegt ist.

Um mehr ich selbst zu werden, muss ich einen innersten Bereich in mir suchen und  entdecken, wo niemand anders Macht über mich hat.  Letztlich kennt Gott allein das Geheimnis meines Wesens und „kann mich zu dem machen, der ich sein werde, wenn ich endlich beginne voll und ganz zu sein.“ (a.a.O., ebd.25)

Impuls zur Inventur:

Stellen sie sich folgende Fragen:  Wo stehe ich jetzt?  Was ist aus mir und meinem Leben geworden?  Wer bin ich? Was suche ich? Wohin geht mein Leben noch?

Denken Sie über folgende Fragen nach, die Anton Rotzetter gestellt hat:

„Der Mensch definiert sich biblisch gesehen als ´Ebenbild Gottes`. Aber bin ich das- ein Ebenbild Gottes?…Bin ich, was ich sein kann? Eine Spiegelung Gottes in der Welt, sein Herz, seine Hände, seine Füße? Bin ich kreativ, schöpferisch; bringe ich Leben hervor, richte ich auf, wie das Gott durch mich tun will? Bin ich der Schöpfung väterlich, mütterlich zugewandt. Ein Gärtner, eine Gärtnerin…Oder habe ich, haben wir uns losgekettet von Gott? Absolut gesetzt? Bin ich dem Allmachtswahn verfallen? Und glaube alles machen zu dürfen?….Sind wir nicht in eine spirituelle Depression geraten, weil wir uns losgerissen haben, von dem Gott, der uns lebendig macht? So trifft uns Gottes Ruf: Mensch, wo bist du?“(Anton Rotzetter, Streicheln, mästen töten, …Freiburg im Br.2012, S. S.178)

Literaturempfehlung:

Lambert, Das siebenfach Ja, Exerzitien-ein Weg zum Leben, Ignatianische Impulse Band 1 Würzburg 2010, S.11)

Tom Merton, Zeiten  der Stille, übersetzt von Bernardin Schellenberger, Freiburg im Br.1992

Patrick Hart, Jonathan Montaldo(Hg.), Thomas Merton, Der Mönch der sieben Stufen, Ein Leben in Selbstzeugnissen, Düsseldorf 2000

Anton Rotzetter, Streicheln, mästen töten, …Freiburg im Br.2012