Hoffnung- in memoriam Rose Ausländer

Die jüdische Dichterin Rose Ausländer wurde am 11.Mai 1901 in Czernowitz, der Hauptstadt der Bukowina , späteres Rumänien, geboren. Ein Drittel der Bevölkerung war jüdisch, aber für die meisten war Deutsch die Muttersprache. Im Jahre 1941 kam die deutsche Wehrmacht nach Czernowitz. Die Juden kamen in ein Getto. Das Elend der Todestransporte in die Gaskammern der Konzentrationslager begann. Rose Ausländer- ihr ursprünglicher Name war Rosalie Scherzer- überlebte mit ihrer Mutter und ihren Brüdern in einem Keller, in dem sie sich über Monate versteckt hielt. Nur etwa 6000 von 60.000 Juden in Czernowitz überlebten. Nach der russischen Annexion emigriert Ausländer nach New York. Sie ist gezeichnet von Krieg, Getto, Verfolgung, Todesangst und schließlich Heimatlosigkeit.
1963 kehrt sie in den deutschen Sprachraum zurück. Seit einem Unfall ist sie an eine „Matratzengruft“ gefesselt. Ihre letzten Jahre – Leber, Nieren, Magen, Darm sind angegriffen von den schrecklichen Kriegsereignissen, ihr Körper mit Tabletten vollgeschwemmt- verbringt bis zu Ihrem Tod in einem Düsseldorfer Altenheim. (vgl. dazu ausführlicher das Nachwort von Jürgen Serke, in:  Rose Ausländer, Im Atemhaus wohnen, Gedichte, Frankfurt am Main 1981, dort auch ein ausführliches Portrait von Jürgen Serke, S137-S.148)
Rose Ausländer bezeichnet sich selbst als „Überlebende des Grauens“, die aus „Worten Leben“ schreibt. Schreiben bedeutet für sie Leben und Überleben. Ihr Vertrauen in die Mutter und in die Menschen ihrer Heimat am Pruth, in die Natur und in die Sprache, ihr Glaube an die Liebesfähigkeit der Menschen trotz aller schrecklichen Ereignisse und Erfahrungen, durchdringt ihre Verse. Was gewöhnlich als Wirklichkeit bezeichnet wird, erscheint der Dichterin als „unverläßliches Märchen“.

Foto privat

Die Sprecherin hingegen schaut „mit verbundenen Augen und lauscht mit „verbundenen Ohren“ nach einer „Welt, die/ Noch nicht geboren ist.“ Ihr Schreiben ist wie eine Heimatsuche nach einer unverlierbaren zweiten Heimat, für welche ihre eigene Heimat in der Bukowina nur ein Zeichen sein kann. Ihre Gedichte kommen wie aus einer anderen Wirklichkeit, ihre magische Sprache beschwört die Wunder dieser Erde, Tag und Nacht, die atmen, Sonne und Mond, die grüßen, Kinder, die singen…
Es ist eine messianische Welt, in der Frieden ist und alle Wesen miteinander kommunizieren, eine österliche Welt, in welcher nach der „Marterqual“, „Er wieder jung und wunderbar“ aufersteht.

In den Traumworten ihrer Gedichte wohnt eine Hoffnung, über welche die Verzweiflung und der Tod keine letztgültige Macht haben. Ihr Gedicht Hoffnung II ist ein Hymnus auf die Hoffnung:

 Wer hofft/ ist jung/Wer könnte atmen/ohne Hoffnung/dass auch in Zukunft/Rosen sich öffnen/ ein Liebeswort/ die Angst überlebt ( in: Rose Ausländer , Im Atemhaus wohnen, Gedichte  Frankfurt a. Main 1981, S.43)

Rose Ausländers Gedichte sind von einer Hoffnung und einem Glauben getragen, der ansteckend ist, weil er durch das persönliche Leiden gegangen ist. Sie hält fest an der Möglichkeit des Wunders, dass auch „ in Zukunft Rosen sich öffnen/ ein Liebeswort/ die Angst überlebt. „Mit winzigen Wörtern“ versucht Rose Ausländer noch als kranke und alternde Frau um Frieden und Liebe zu werben. (vgl. auch Rose Ausländer, Ich spiele noch Neue Gedichte, Frankfurt a.M. 1987)

Nur die Hoffnung lässt Rose Ausländer leben und überleben, gibt ihr die Kraft am Leben nicht zu verzweifeln. Hoffnung gehört zu den Lebensgrundlagen des Menschseins wie die Atemluft. „Wer könnte atmen/ohne Hoffnung“, sagt die Dichterin.

Literatur:

Rose Ausländer,  Mein Atem heißt jetzt, Fischer Verlag 1984

Rose Ausländer, Im Atemhaus wohnen, Gedichte, Frankfurt am Main 1981, dort auch ein ausführliches Portrait von Jürgen Serke, S137-S.148)

Impulse:

Lesen und meditieren Sie die wunderbaren Gedichte von Rose Ausländer

Wo in meinem Leben und in meiner Biografie konnte ich die Kraft neuer Hoffnung spüren?

Zu welchen Aufbrüchen hat mich meine Hoffnung „verführt“?

Mut und mutige Menschen

Gehören Sie zu den mutigen Menschen?
Viele bewundern den Mut von Menschen, die auf einem Seil über einen Abgrund balancieren oder die an einer steilen Felswand oder Hochhausfassade ohne Sicherung klettern, oder Abenteurer, die mit einem kleinen Segelschiff ganz allein den Ozean durchqueren.

(Bild: „Auf werde Licht“, Acryl auf Leinwand von Gustav Schädlich-Buter)

Ohne Zweifel braucht unsere Welt mutige Menschen. Vielleicht weniger von denen, die ihr Leben nur um der Aufmerksamkeit willen für sich selbst auf`s Spiel setzen, sondern Menschen, die sich gegen Widerstände für Frieden, Freiheit und humane Werte mutig einsetzen trotz ihrer Angst . Menschen, die ihre Angst überwinden und Neues wagen, die aus der Menge heraustreten und ungerechte und unmenschliche Strukturen publik machen, die festgefahrene Traditionen aufbrechen. Nicht selten riskieren sie dabei sehr viel: ihre Gesundheit, ihr Leben, ihren Ruf, ihr Auskommen; sie sind oft vielfachen Anfeindungen ausgesetzt und müssen mit Spott , Gefängnis oder Entzug von Freundschaft rechnen.

Mutige Menschen

Man denke nur an Georg Elsner, Sophie und Hans Scholl, Nelson Mandela, Mahatma Gandhi, Rosa Parks, Martin Luther King , Wangari Maathai, Dom Helder Camara oder Bischof Kräutler und viele andere. Und natürlich kann man sich auch fragen, warum es zwischen 1933 und 1945 zuwenig mutige Deutsche gab.

Mut im Alltag

Aber was bedeutet Mut für unseren Alltag? Ich möchte ein paar Beispiele geben, die anregen können über den eigenen Lebensmut nachzudenken.
Es braucht Mut, einem anderen Menschen ganz und gar zu vertrauen.
Mutig ist der, der zu seiner Überzeugung steht, obwohl alle gegen ihn sind und er Nachteile in Kauf nehmen muss.
Mut ist nötig, sich für „Außenseiter“ einzusetzen und deren Würde zu verteidigen.
Mut bedeutet, mit einem Kollegen/-in oder Partner/-in darüber zu sprechen, was mich an dessen Verhalten oder Reden verletzt und gekränkt hat.
Mutig muss man sein, einen Menschen anzurufen oder zu besuchen, der schwer erkrankt ist und es braucht Mut, sich einem anderen in seiner Schwäche zu zeigen.
Mut ist verlangt jemanden danach zu fragen, worunter er leidet und mutig ist es, einem anderen zu sagen, was die eigene Wunde ist.
Es braucht Mut mit einer Behinderung zu leben und sich eine größtmögliche Autonomie zu erkämpfen.
Mut kann auch heißen, die Trauer in der eigenen Seele zu fühlen und ebenso mutig ist der, welcher sich der Trauer eines anderen Menschen stellt und sie begleitet.
Es braucht Mut, seine Gewohnheiten und Sicherheiten zu verlassen, um „Neuland“ zu betreten. (vgl. die Abrahamsgeschichte im Alten Testament)
Und es braucht Mut, an einen Gott zu glauben, den noch nie jemand gesehen hat und darauf sein Leben zu gründen.
Mut ist im Herzen der Motor, der etwas bewegen und verändern will. Mutig ist nicht jemand, der keine Angst hat, sondern der Wege für sich gefunden hat, seine Angst zu überwinden.

Impuls zum Nachdenken:
Schreibe ins Tagebuch/oder erzähl Dir im Selbstgespräch oder einem Freund/-in zum Thema: „Da war ich einmal richtig mutig..“
Kenne ich mutige Vorbilder für mein Leben? (siehe auch oben)
Welche Mutmachgeschichten in der Literatur sind mir bekannt?

Literatur zu Vertiefung:
Christian Nürnberger, Mutige Menschen. Für Frieden, Freiheit und Menschenrechte

Georg Schwickert, Courage, Mut für ein freies Leben, Münsterschwarzach 2013
Jacques Lusseyran (Autor), Das wiedergefundene Licht: Die Lebensgeschichte eines Blinden im französischen Widerstand Taschenbuch – 2002